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Rechtsstaatlichkeit und Geld auf getrennten Wegen

Von Martyna Czarnowska

Politik
Freut sich, den "nationalen Stolz" verteidigt zu haben: Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban.
© reuters/Johanna Geron

Eine Koppelung demokratischer Prinzipien mit der Auszahlung von EU-Förderungen lehnten Ungarn und Polen ab - und setzten sich durch.


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Brüssel/Budapest/Warschau. Was Ungarn und Polen freut, sorgt im EU-Parlament für Unmut. Das Abgeordnetenhaus hatte sich dafür eingesetzt, im EU-Finanzpaket einen Mechanismus zur Kontrolle über die Rechtsstaatlichkeit zu verankern. Im Schlussdokument des EU-Gipfels findet sich das allerdings nicht.

Der Widerstand aus Budapest und Warschau war groß, die Auszahlung von EU-Förderungen mit der Frage zu verknüpfen, ob demokratische Prinzipien gewahrt bleiben. Denn schon jetzt liegen die beiden Regierungen mit Brüssel im Streit über die Rechtsstaatlichkeit: Zur Überprüfung, ob diese eingehalten wird, hat die EU-Kommission bereits Verfahren eingeleitet. Auch hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) schon mehrere polnische Gesetzesentwürfe beanstandet, die die Unabhängigkeit der dortigen Justiz gefährden könnten. Gegen einige ungarische Vorhaben gab es ebenfalls Einwände.

Teils zogen die zwei nationalkonservativen Regierungen ihre Pläne zurück. Doch größtenteils verbaten sie sich "Einmischung in innere Angelegenheiten". Daran änderte selbst die Kritik im Inland nicht viel. Im Ausland wurde sie ebenso laut.

Die EU-Kommission wirbt schon seit Jahren dafür, Rechtsstaatlichkeit stärker zu überprüfen. Das Parlament unterstützt das und fordert eben, dies zur Bedingung zu machen, damit bestimmte EU-Zahlungen in die Länder fließen.

Diese Koppelung lehnten Ungarn und Polen ab. Das Parlament in Budapest hatte Premier Viktor Orban sogar noch vor dem Gipfel die Ermächtigung zu einem Veto gegeben, sollte es diese Verknüpfung geben.

Weiche Kompromissformel

Nach dem Spitzentreffen in Brüssel konnte Orban, mit seinem polnischen Amtskollegen Mateusz Morawiecki an seiner Seite, jubeln: Polen und Ungarn sei es gelungen, "ihren nationalen Stolz zu verteidigen". Es gebe keine Verknüpfung zwischen Rechtsstaatlichkeit und Geld, betonte Morawiecki.

Andere Spitzenpolitiker hingegen sahen das anders - und freuten sich darüber, dass erstmals rechtsstaatliche Prinzipien erwähnt werden.

Und es stimmt beides. Denn die Gipfelerklärung birgt eine Kompromissformel. Tatsächlich wird dort auf die Bedeutung hingewiesen, "die der Achtung der Rechtsstaatlichkeit zukommt". Später ist im Text allgemein davon die Rede, dass die Kommission im Fall von Verstößen "Maßnahmen vorschlagen" kann, die die Mitgliedstaaten mit qualifizierter Mehrheit annehmen müssen. Was aber sehr unwahrscheinlich erscheint - ebenso, wie es unwahrscheinlich ist, dass gegen Polen und Ungarn Sanktionen wie der Entzug von Stimmrechten bei EU-Sitzungen verhängt werden.

Damit bleiben die Rufe aus dem EU-Parlament nach der Verankerung möglicher Strafmaßnahmen fürs Erste unerhört. Die Meinung der Mandatare ist aber für die Finanzgespräche nicht unwesentlich. Die sind nämlich nach der Gipfeleinigung der Staats- und Regierungschefs noch nicht zu Ende. Die EU-Abgeordneten müssen - ebenso wie die nationalen Parlamente - dem Budgetentwurf zustimmen. Sie haben schon Nachbesserungen gefordert.