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Streitauslöser ist "Actimel"-Werbung. | AMA schaltete "Gegeninserat". | Wissenschaft vermisst Studien an lebenden Menschen. | Wien. Würde es gelten, die Effektivität der Werbekampagne zu beurteilen, bekäme der französische Lebensmittelkonzern Danone für die "Actimel"-Werbung wohl Bestnoten. Der Bekanntheitsgrad des angeblich gesundheitsfördenden Milchmixes war schon vor dem TV-Spruch "Trink das, Herbert" enorm. Weniger unumstritten ist die Kernbotschaft darin: Die Aussage, das probiotische Joghurt würde die "körpereigenen Abwehrkräfte steigern", hat zu einem Rechtsstreit mit der Agrarmarkt Austria Marketing (AMA) geführt, die sich dagegen wehrt und sagt, dass "jedes Joghurt gesund ist". Ein Gerichtsentscheid steht noch aus.
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Laut AMA-Sprecherin Hermine Hackl habe man nie Krieg mit dem Weltkonzern Danone wollen. Aber eine dermaßen groß aufgezogene Werbung, die ein Joghurt besser darstelle als alle anderen, könne man als Vermarktungsorgan der heimischen Landwirtschaft einfach nicht akzeptieren. "Joghurt gilt durch seinen Gehalt an Wirkstoffen schon seit jeher als besonders heilkräftig oder entgiftend, das war schon vor Danone so", betont Hackl.
5 Euro pro Liter Milch
Intern hagelte es Proteste seitens der Milchbauern - nicht zuletzt deshalb, weil die Milch in den heimischen "Actimel"-Bechern nicht einmal aus Österreich, sondern aus Ländern wie Polen oder der Tschechoslowakei kommt, wo der Abnahmepreis deutlich unter dem in Österreich liegt, während "Actimel" im Regal aber mehr kostet, als andere Joghurts. Danone lukriere so einen hochgerechneten Rekord-Literpreis von rund fünf Euro, kritisieren Marktkenner.
Laut AMA-Sprecherin Hackl habe man deshalb Ende des Vorjahres ebenfalls eine Inseratenkampagne in einigen Zeitungen mit dem Spruch "Jedes Joghurt stärkt die Abwehrkräfte" geschaltet. "Wir wehren uns gegen die Behauptung, ein gewisses Joghurt sei besser als das von österreichischen Landwirten. Österreich zählt auf diesem Sektor zur absoluten Weltspitze", sagt Hackl.
Das wiederum war Danone zu viel: Am Gründonnerstag flatterte der AMA eine Unterlassungsklage des Handelsgerichts Wien samt einstweiliger Verfügung ins Haus. Die Inseratenkampagne lief kurz darauf - wie geplant - aus, die Kontrahenten bombardieren das Gericht seither mit bisher je drei umfangreichen Stellungnahmen - ein Entscheid ist zur Enttäuschung beider Seiten bis jetzt noch nicht gefallen.
"Wir haben 30 wissenschaftliche Studien, die unsere Aussagen belegen", gibt sich Danone-Sprecherin Petra Burger siegessicher. "Actimel" bewirke durch Beimengung einer bestimmten Bakterien-Art tatsächlich eine Steigerung der Immunabwehr, da eben diese Bakterienkulturen in der Magensäure länger überleben als jene in anderen Joghurts und ihre Wirkung daher besser entfalten könnten.
Innerhalb der EU müssen gesundheitsbezogene Aussagen in Werbesprüchen vorher einem unabhängigen Gremium, der EFSA (Europäische Agentur für Lebensmittelsicherheit) vorgelegt und mittels Studien belegt werden. Den entsprechenden Antrag zu "Actimel" hat Danone allerdings vor wenigen Wochen zurückgezogen. Laut Danone-Sprecherin Burger "deshalb, weil die EFSA uns nicht klar vermitteln konnte, welche Unterlagen sie braucht und wir im Juni noch klärende Gespräche führen wollen".
In den USA beugte sich Danone (US-Name Dannon) Ende 2009 einer Sammelklage wegen irreführender Werbung und verzichtet auf die umstrittene Werbung; auch in Frankreich und Großbritannien wurden die TV-Einschaltungen bereits gestoppt. Mit "Actimel" und "Activia" machte der Konzern im Vorjahr einen Umsatz von 3,7 Milliarden weltweit - ein Viertel vom Gesamtumsatz.
Studien am Menschen
AKH-Professor Kurt Widhalm, Leiter des einzigen österreichischen Lehrstuhls für Ernährungslehre an der Universität Wien, überrascht der skurrile Rechtsstreit nicht. "Es sind für solche Aussagen seriöse Studien am Menschen nötig. Da muss gesichert sein, dass die Probanden das Produkt auch wirklich im gesamten Probezeitraum einnehmen, sich auch sonst gleich ernähren und vorher wie nachher genau untersucht werden", betont der Arzt. Untermauern könne seine Aussagen nur, wer solche Studien vorweisen kann - und das scheinen, so Widhalm, beide nicht wirklich zu können.
Generell sieht Widhalm für probiotische Lebensmittel zur Nahrungsergänzung "eine große Zukunft, aber es gibt dazu leider kaum Forschungen. In Österreich haben wir ja nicht einmal Einrichtungen dazu - aber immer mehr mangelernährte Kinder".