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Rechtssystem im Rampenlicht

Von Alexander U. Mathé

Wirtschaft
Trau, schau, wem: Die Ehefrau des Richters (Astrid Henhofer) beim Verhör mit dem Kriminalpolizisten (Wolfgang Holzmannhofer). Theresa Stüger

Wahrheitsmonopolisten, Kiewerer im Talar und überzogene, parasitäre Beigaben des Rechtssystems haben am Montag im Rabenhof-Theater ein Gastspiel gehalten. Die Rollen der Richter, Staats- und Rechtsanwälte übernahmen in der Tragikomödie "Die Unschuldsvermutung" Personen, die in dem Metier zu Hause sind: eine Gruppe oberösterreichischer Richter namens "Das Tribunal".


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Richter gehen mit sich selbst ins Gericht

In seinem Stück nimmt Autor Wolfgang Astleitner (Senatspräsident am Oberlandesgericht Linz) die Strafjustiz kritisch unter die Lupe. Dabei werden richterliche Entscheidungsklischees und juristische Spitzfindigkeiten aufs Korn genommen. "Alle sind auf der Suche nach Wahrheit. Wieso finden sie immer ausgerechnet die Richter?" Eine Frage, die berechtigte Zweifel am Mythos der Unfehlbarkeit weckt und als satirische Antwort bekommt: Weil Richter mit dem Gehalt der Wahrheit ihr täglich Brot bestreiten müssen.

Aufgehängt ist die Rechtssystem-Kritik auf der Geschichte eines Strafrichters, der ein ruhiges und beschauliches Leben führt, bis er durch eine Verkettung unglücklicher Umstände zum Hauptverdächtigen in einem Fall von Kunstdiebstahl wird. Der Wechsel vor den Richtertisch lässt den Herrn Rat an seinen richterlichen Grundsätzen (ver)zweifeln. Schließlich sieht der Strafrechtsneurotiker keinen anderen Weg mehr als den Freitod.

Natürlich merkt man, dass das Stück von Laiendarstellern aufgeführt wird. Aber dem Berufsstand der Schauspieler Konkurrenz zu machen, dürfte ohnedies nicht primäres Ziel der Juristentruppe sein. Einzig Karl Makovsky als toter Richter vermittelt den Eindruck, er trachte danach, sich auf der Bühne ein zweites Standbein zu verschaffen. Auch die Figuren der Häftlinge konnten - wohl ob des häufigen Kontakts zu ihren Originalen - von den Darstellern realitätsnah dargestellt werden. Das ruhige Bühnenbild und die einfache aber effektive Lichttechnik trugen schließlich das ihrige dazu bei, den Text des Stücks in den Mittelpunkt zu rücken.

Die angeprangerten Selbstzweifel an den richterlichen Verhaltensmustern lassen den Zuschauer hoffen, nur ja nie - egal ob schuldig oder nicht - selber in die Mühlen der Gerichtsbarkeit zu gelangen. Aber vielleicht hilft ja Astleitners "Konstruktive Irritation justizieller Selbstzufriedenheit" routinierten Richtern dabei, ihre Vorurteile kritisch zu überdenken.