"Machen Sie eine Selbstanzeige?" - Die Frage steht am An-fang jeder steuerlichen Betriebsprüfung und die Antwort des Steuerzahlers wird unmittelbar vor Beginn der Prüfung oder Nachschau mit Tag und Uhrzeit protokolliert. In diesem Augenblick - vor Beginn der Amtshandlung - besteht die letzte Chance, den harten Bandagen des Finanzstrafgesetzes zu entkommen und wissentliche oder vermeintliche steuerliche Unebenheiten mit strafbefreiender Wirkung zu sanieren. Dabei zeigt die Erfahrung der Steuerprüfer, wo die meisten dieser "Irrtümer" passieren: bei der Umsatzsteuer.
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Die Versuchung, bei den monatlichen oder vierteljährlichen Umsatzsteuerberechnungen ein bisschen oder sogar ordentlich zu "sparen", um erst bei der Jahressteuererklärung oder erst im letzten möglichen Augenblick - nämlich vor Beginn einer Steuerprüfung - die Karten aufzudecken und das Versäumnis wieder gut zu machen, ist vor allem bei kapitalschwachen oder Not leidenden Unternehmen groß.
Problematische Hilfstricks
Der in der Praxis relativ häufige Hilfstrick, die vorläufig eingesparte Umsatzsteuer erst im letzten Meldemonat oder erst anlässlich der Jahressteuererklärung auszugleichen, hat den Fiskus schon 1998 zu Gegenmaßnahmen veranlasst.
Seither gilt, dass unüblich hohe oder auffällige USt-Nachzahlungen zu Jahresende zu einer regelmäßigen Voranmeldungspflicht, manchmal auch zur vorzeitigen Abberufung der Jahreserklärung und in krassen Fällen zum unverzüglichen Anrücken einer Prüfertruppe führen. Dessen ungeachtet ist die Aufdeckung von USt-Vergehen noch immer häufige Erfahrung der Steuerprüfer oder der Erhebungsbeamten bei den USt-Sonderprüfungen. Hier bietet das Finanzstrafgesetz den reuigen Sündern die Möglichkeit einer relativ günstigen Schadenswiedergutmachung.
Rechtzeitige Selbstanzeige
Die gesetzliche Wohltat - eben die Selbstanzeige - erspart zwar nicht die Steuer, macht aber straffrei, sofern der buß-fertige Steuerzahler den Willen zur Schadensgutmachung freiwillig, vollständig und vor allem rechtzeitig kundtut. Recht-zeitig heißt dabei jedenfalls vor Aufdeckung durch die Behörde. Rechtzeitig bedeutet auch, dass der bisher nicht bezahlte Steuerbetrag rasch, jedenfalls innerhalb bestimmter Termine entrichtet oder in ein Gesuch um Zahlungserleichterungen eingebunden wird. Eine Selbstanzeige ist bei Betretung auf frischer Tat ausge-schlossen, heißt es im Gesetz, was bedeutet, dass die Finanz den Steuerzahler nicht schon selbst beim Mogeln und Hinterziehen ertappt haben darf. Der dolose Bürger muss also noch vor dem möglichen Ertapptwerden agieren, aus eigener Initiative sein Fehlverhalten aufzeigen und durch Offenlegung des richtigen Sachverhalts (samt zutreffendem Steuerbetrag) tätig werden. Ansprechpartner ist im Regelfall das zuständige Finanzamt.
Die Frage, ob die Gratwanderung zwischen der eigenen und der amtlichen Initiative für den Steuerzahler noch rechtzeitig ausgeht oder bereits verspätet war, ist eine Beweisfrage. War die Finanz schneller, musste sie dem Verdächtigen deutlich bekannt machen, dass sie ihn bereits des konkreten Vergehens verdächtigte.
Verdächtiger Steuerausfall
Dass das nicht immer klar ist, zeigt ein kürzlich bekannt gewordenes Urteil des Obersten Gerichtshofes*), das einem oberösterreichischen Unternehmer zu Hilfe kam. Der dortige Steuerzahler hatte aus wirtschaftlichen Gründen mit den USt-Zahlungen "vorübergehend ausgesetzt", ohne das Finanzamt rechtzeitig in Kenntnis zu setzen. Als die ausgebliebenen Steuereingänge die stolze Summe von mehr als 1,5 Mill. Schilling erreichten, begannen in dem kleinen Finanzamt Gmunden die Alarmlichter zu blinken. Das Amt wurde argwöhnisch, der Verdacht auf vorsätzliche Nichtabgabe von Voranmeldungen und Nichtzahlung der USt bot sich an, eine Betriebsprüfung wurde angekündigt. Begründung für die Prüfung: der Verdacht.
Jetzt erst wurde auch der reuige Steuersünder aktiv, er gestand dem Amtsvorstand persönlich seine Misere, legte alles offen und bezahlte (nachdem eine Ratenvereinbarung abgewiesen worden war) innerhalb von zwei Wochen den offenen Steuerbetrag zur Gänze.
Rechtzeitige Meldung
War die Selbstanzeige rechtzeitig? Der Amtsvorstand verwies auf die schon vorher (auf Verdacht) eingeleitete Betriebsprüfung und trieb das Verfahren bis zum Obersten Gerichtshof. Wie die Erfahrung zeigt, haben die Gerichtshöfe jedoch häufig einen anderen Zugang zur Interpretation des Finanzstrafrechts als die Verwaltungsbehörden, weshalb viele Strafverteidiger nach Möglichkeit dem Steuerstraf-verfahren vor den Gerichten jenem vor den Senatsverfahren des Fiskus den Vorrang geben. Das bewies sich offenbar auch hier wieder: Die Richter bestätigten die Rechtzeitigkeit der Selbstanzeige. Die bloße Ankündigung einer Betriebsprüfung (selbst unter Anführung von Verdachtsgründen) stelle keine Verfolgung im Sinne des Finanzstrafgesetzes dar. Anders gesagt: Die Ankündigung der Steuerprüfung ist nicht als Erhebungshandlung der Finanzstrafbehörde zu werten. Im konkreten Fall hätte sich ja im Zuge der Prüfung auch herausstellen können, dass der Unternehmer während des Jahres lauter (berechtigte) Vorsteuerguthaben aufwies, was ihn von Voranmeldungen (und USt-Zahlungen) ohne Angabe von Gründen freigestellt hätte.
Rechtzeitige Zahlung
Die Selbstanzeige war aber auch hinsichtlich der geleisteten Nachzahlung rechtzeitig. Denn die geschuldete Steuernachzahlung muss durchaus nicht im gleichen Augenblick der Selbstanzeige entrichtet werden, sondern "den Abgabenvorschriften entsprechend". Dazu sieht die Verwaltungspraxis im Regelfall eine Monatsfrist vor; bei Gewährung von Zahlungserleichterungen sogar einen Aufschub bis zu zwei Jahren.
Nur in Sonderfällen (etwa wenn eine Voranmeldung bloß verspätet ist und daher keine bescheidmäßige Festsetzung auslöst) wäre auch eine gleichzeitige Steuerzahlung nötig.
*) OGH v. 9. 11. 2000, GZ 15 Os 121/00