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Westliche Betriebe klagen über die schwierige Personalsuche im Osten. | Russen als kreative Lebenslauf-Gestalter. | Wien. Wer in Russland eine Bilderbuchkarriere hinlegt, zeichnet sich nicht automatisch durch hohe Ausbildung, Fleiß oder Entscheidungsfreude aus. Was zählt, sind schnelles Geld und Prestige.
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In einem Land, in dem laut Personalexperten Loyalität mehr wiegt als Legalität, haben es internationale Arbeitgeber extrem schwer, qualifizierte Mitarbeiter zu finden. Vor allem der Arbeitsmarkt in den Metropolen Moskau und St. Petersburg ist angespannt, seit internationale Unternehmen auf den russischen Markt drängen und junge Russen der Glitzerwelt der Oligarchen nacheifern.
Im Gegensatz zu Imperien wie Gazprom, Aeroflot oder die russische Eisenbahn können nämlich viele westliche Unternehmen die horrenden Gehaltsforderungen der selbstbewussten Mitarbeitergeneration nicht erfüllen. So bekommt etwa ein angehender Buchhalter neben rund 10.000 Euro Monatsnettogehalt ein Dienstauto, vergünstigte Kredite und schnelle Aufstiegsmöglichkeiten eingeräumt.
"Viele Uni-Absolventen belegen eine zweijährige Trainee-Ausbildung bei einem internationalen Konzern und werden dann von den russischen Unternehmen abgeworben", erzählt die Balkan-Expertin und Unternehmensberaterin Susanne M. Anabith bei einer Veranstaltung über Personalentwicklung in Osteuropa am Dienstagabend.
Tipps von Experten
Nur wer mit der Mentalität und dem historischen Hintergrund der lokalen Mitarbeiter vertraut ist, wird es schaffen, das Personal langfristig zu halten. Die Tipps der Personalberater: Westliche Arbeitgeber dürfen nicht zu belehrend auftreten. Soft Skills wie Entscheidungsfreude oder Lösungskompetenz müssen Mitarbeitern, die bisher an einen hierarchischen Führungsstil gewohnt waren, behutsam beigebracht werden.
Bewerber überprüfen
Auch der Lebenslauf der Jobbewerber - nicht selten mit doppeltem Universitätsabschluss - sollte streng unter die Lupe genommen werden, warnen Personalexperten. Sie verweisen auf das korrupte russische Bildungssystem: "Das Lehrpersonal in Russland wird schlecht bezahlt. Wer nicht längst weggezogen ist, ist für Bestechung anfällig", berichtet Alexander Granat, gebürtiger Russe und Personalberater bei Neumann-International.
Um die russischen Verhältnisse am Arbeitsmarkt zu umgehen, greifen Unternehmen häufig auf westliche Expatriates zurück oder holen russische Staatsbürger, die im Ausland studiert und gearbeitet haben, zurück. Es kommt auch vor, dass Arbeitskräfte, die eigentlich Maschinenbau oder Medizin studiert haben, zu Finanz-, Personal- oder Marketingfachleuten umgeschult werden, berichtet Anabith.
In Hinblick auf das russische Bildungssystem fordern Experten eine starke Veränderung. So, wie einst auch der russische Schriftsteller Solschenizyns: "Man kann alle Katastrophen überleben, nicht aber geistige."

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