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"Reden, aber sicher nicht betteln"

Von Walter Hämmerle

Politik
Kopf zur Bankenlandschaft: "Natürlich ist Österreich overbanked mit deutlich zu vielen Filialen". Foto: Newald

Karlheinz Kopf im Interview: Erfolge der FPÖ hängen von Arbeit der Koalition ab. | Zur SPÖ: "Bringt nichts, in der Politik nachtragend zu sein." | "Transferkonto Fixpunkt für nächste Koalition." | "Wiener Zeitung": Wie werden sich die Mehrheiten im Parlament durch die Fusion von FPÖ und Kärntner BZÖ verändern?


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Karlheinz Kopf: Es ist davon auszugehen, dass die FPÖ ihr Potenzial optimiert, weil sie Kärnten wieder mit im Boot hat. Für das Bundes-BZÖ fällt damit der Grundmandatslieferant und Stimmenbringer weg. Das BZÖ wird deshalb wohl beim nächsten Mal an der Vier-Prozent-Hürde scheitern. Wie stark die FPÖ werden wird, hängt aber letztlich von der Arbeit der Koalition ab. Umfragen zeigen, dass das Vertrauen in die Regierung im vergangenen Jahr deutlich gestiegen ist. Tatsächlich ist ja auch Strache 2009 nicht so wirklich vom Fleck gekommen, bei den meisten Wahlen blieb er unter den Erwartungen. Es liegt also vor allem an uns selbst.

Zum Jahresende kommt Lob für die SPÖ aus Ihrem Mund - das klang schon einmal deutlich anders: Vor allem bei der Bestellung des EU-Kommissars war der Ärger über die SPÖ groß. Alles vergeben und vergessen?

Koalitionen sind Zweckbündnisse. Ja, es gab Irritationen, aber es hat keinen Sinn, diese jetzt wieder aufzuwärmen. In der Politik ist es kontraproduktiv, nachtragend zu sein und Dingen, die nicht mehr zu ändern sind, nachzutrauern. Das verstellt nur den Blick auf die nächsten Herausforderungen. Man darf es aber auch nicht einfach vergessen. Alles in allem haben wir mit der SPÖ aber doch einiges zusammengebracht.

Die ÖVP hat sich unter Pröll in Umfragen konsolidiert, ist aber weit weg von jenen 35 Prozent, die eigentlich Anspruch jeder Volkspartei sein sollten. Vielleicht weil die ÖVP ihre konservative Kernklientel nicht mehr binden kann?

Es ist mittlerweile in ganz Europa schwierig, als einzelne Partei mehr als 35 Prozent zu erreichen. Dafür ist einfach das Parteienangebot zu groß geworden. Dennoch, so glaube ich, gelingt es der ÖVP ganz gut, sich als Mitte-Rechts-Partei zu positionieren - unser Spektrum reicht von Johannes Hahn und Christine Marek bis zu Maria Fekter. Was wir nicht tun dürfen, ist, ausschließlich auf die Ränder zu schielen.

Der Vorarlberger Landeshauptmann scheint das anders zu sehen, lehnt das Land doch das neue Gesetz zur Eingetragenen Partnerschaft auch für Homosexuelle ab. Weiß Sausgruber besser, was die konservativen ÖVP-Wähler erwarten?

Sein Nein ist vor allem Ausdruck einer persönlichen Überzeugung, politisches Kalkül kann ich dahinter nicht erkennen. Selbstverständlich gehe ich aber davon aus, dass auch in Vorarlberg das Gesetz vollzogen wird.

Beim Debakel der Hypo Alpe Adria trägt auch die Kärntner ÖVP Mitverantwortung - kein Ausweis für die Wirtschaftskompetenz der Partei.

Die Mehrheitsverhältnisse in Kärnten sind eindeutig, die ÖVP hat zudem immer vor der Entwicklung gewarnt. Jetzt kann man natürlich darüber reden, ob mehr nicht noch besser gewesen wäre. Fakt ist aber, dass die Gesamtverantwortung für die Banken-Pleite bei den Herren Haider, Dörfler und Scheuch liegt. Was ich besonders überraschend finde, ist der Zeitpunkt, zu dem Strache und Scheuch ihre Polit-Ehe verkündet haben - beim Timing dürfte offensichtlich der Wunsch des BZÖ ausschlaggebend gewesen sein, vom Debakel abzulenken.

FPÖ, Grüne und BZÖ wollen als Protest gegen die Beendigung des Spitzel-U-Ausschusses weiter an der Blockade von Zweidrittel-Materien im Nationalrat festhalten . . .

... schauen wir mal .. .

. . . wackelt damit die Verankerung von U-Ausschüssen als Minderheitenrecht?

Mit Sicherheit nicht, ich halte meine Zusagen ein. Aber ein Ultimatum der Art entweder Minister vor den U-Ausschuss oder Blockade im Parlament ist nicht zu akzeptieren. Wir können uns nicht von der Opposition mit sachfremden Materien erpressen lassen.

Wie sollen die verhärteten Fronten aufgelöst werden, zumal FPÖ, Grüne und BZÖ am längeren Ast zu sitzen scheinen?

Wir können ohnehin nur das machen, was in der Politik üblich ist: Reden. Wir werden allerdings sicher nicht betteln.

Was kann die Regierung der Opposition oder zumindest einer der Parteien anbieten?

Wenn ich etwas anzubieten hätte, würde ich es nicht über die Medien machen, sondern direkt. Da gibt es viele Möglichkeiten, dazu braucht es aber zuerst den Willen aller Seiten, wieder zusammenzuarbeiten. Jetzt kommt einmal Weihnachten, nutzen wir daher alle diese Zeit, denken ein bisschen nach und starten dann im neuen Jahr mit einem neuen Anlauf. Die jetzige Situation kann schließlich auch für die Opposition nicht befriedigend sein.

Wie stehen die Chancen auf eine Umsetzung der ÖVP-Forderung nach Einführung eines Transferkontos für sämtliche Sozialleistungen?

Das müssen Sie die SPÖ fragen. Tatsache ist, dass wir damit auf große Zustimmung stoßen und viele Experten es für sinnvoll erachten. Wenn Bund, Länder und Gemeinden jeweils über die Leistungen des anderen Bescheid wüssten, könnten wir Doppelgleisigkeit vermeiden. Und nur so lässt sich die Schwellenproblematik angehen, bei der einige Euros mehr oder weniger zu ungerechten Brüchen beim verfügbaren Einkommen führen. Darin liegt eine enorme Anreizbremse. All das soll bei einer Enquete am 20. Jänner offen diskutiert werden.

Wird die ÖVP bei den nächsten Koalitionsverhandlungen auf eine Umsetzung pochen?

Sicher.

Sie haben einen Aufsichtskommissär des Bundes für finanzmarode Länder gefordert. Nur ein schneller Sager angesichts der Kärntner Lage oder ein ernsthafter Plan?

Dieser Satz wird interpretativ etwas zu weit ausgedehnt. Explizit habe ich das für den Insolvenzfall eines Bundeslandes gefordert. Ein Regierungskommissär sollte dann die Möglichkeit haben, Beschlüsse von Landesregierung oder Landtag zu sistieren, wenn sie ausgabenwirksam sind. Man muss hier abstufen: Erste Stufe wären Haftungsobergrenzen für die Länder, zweite Stufe Verschuldungsobergrenzen festzulegen; ein Kommissär wäre nur die Ultima Ratio. Dass es diese Möglichkeit nicht gibt, halte ich für eine Lücke in unserer Verfassung, gegenüber den Gemeinden haben die Länder nämlich die Möglichkeit dazu. Kärnten wäre ohne den Bund tatsächlich völlig zahlungsunfähig gewesen.

Hätten nicht viel früher die Alarmglocken schrillen müssen? Über die Haftungszusagen wusste man ja Bescheid.

Haftung ist nicht gleich Haftung, da gibt es enorme Unterschiede. Die Untersuchungen werden aber zeigen, ob nicht auch die Aufsicht versagt hat, das will und kann ich nicht von vornherein ausschließen.

Die "Wiener Zeitung" berichtete exklusiv über ein Schreiben der Banken-ÖIAG an den Finanzminister, in dem eine Neuordnung der Bankenlandschaft gefordert wird. Wird eine solche kommen?

Ich weiß nicht, wie die Herren sich das vorstellen, der Finanzminister kann ja nicht einfach Filialen schließen. Natürlich ist Österreich overbanked mit deutlich zu vielen Filialen und damit auch zu hohen Kosten. Aber ich glaube nicht, dass man den Damen und Herren Bankdirektoren ihr Geschäft erklären muss, das wissen sie schon selber.

Ihre Pläne für die Feiertage?

Ich habe weder Gesprächstermine mit den Herren Strache oder Bucher noch mit dem Herrn Scheuch. Ich freue mich einfach auf eine ruhige Zeit mit der Familie.