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Die Krise der repräsentativen Demokratie zeigt sich auch am Beispiel Hypo und dem ungelösten Dauerthema einer Demokratiereform.
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Wien. Roland Düringer redet. Das war ja auch bisher sein Job, als Schauspieler, als Kabarettist, seit einiger Zeit ist es seine Berufung als kritischer Bürger. Düringer hat sich der Bürgerinitiative "Tatort Hypo" der Wirtschaftsprüfer Günther und Christoph Robol sowie Michael Smrcka angeschlossen, mit ihnen fordert er die Aufklärung des Hypo-Skandals.
Düringer sitzt bei einem Pressetermin im Volksgarten und redet also. Vom Staat als Selbstbedienungsladen, von den Banken und ihren Bankern, von der Notwendigkeit einer Systemänderung. Die Hypo, das ist nach wenigen Sätzen klar, ist vor allem ein Symbol. Die Materie mag komplex sein, aber eines ist klar: Es wird verdammt viel Geld kosten, "und wir wissen nicht, wer das kriegt", sagt Düringer.
Die Initiative hat schon mehr als 6000 Unterstützungserklärungen für ihre parlamentarische Bürgerinitiative gesammelt, sie wird damit im Petitionsausschuss des Nationalrats behandelt. Doch das soll noch nicht alles gewesen sein. Sollte die Regierung das Thema aussitzen wollen, "dann sitzen wir das auch aus", sagt Düringer. Und Filmemacher Erwin Wagenhofer ("Alphabet") sagt: "Nicht der Kapitalismus ist am Ende, sondern die repräsentative Demokratie."
Viele Ideen, eine Frage
Dass die repräsentative Demokratie jedenfalls in einer Krise steckt, wird nicht zuletzt durch die Existenz einer Bürgerinitiative wie "Tatort Hypo" dokumentiert. Doch die alte Regierung hat keine Demokratiereform zustande gebracht, die neue hat die alte Debatte noch nicht aufgenommen. Aber es wurde ohnehin schon genug geredet darüber.
Es gibt zwar meist keine genau definierte Grenze, wann aus dem Bereden, das das Präludium eines jeden Gesetzesbeschlusses dargestellt, ein Zerreden wird. Sicher ist, dass im Fall der Demokratiereform diese unscharfe Grenze schon lange überschritten wurde. Eindeutiges Indiz dafür ist, wenn gar nicht mehr so richtig klar ist, wer jetzt genau was fordert.
Da gab es Anträge aus den Reihen der Opposition, aber auch ein von Sebastian Kurz, nun Außenminister, vorgelegtes Papier. Dieses sah eine automatische Volksabstimmung vor, sollte ein Volksbegehren von mehr als zehn Prozent der Wahlberechtigten unterschrieben werden. Der ÖVP-Parteivorstand stimmte dieser Idee auch zu, in den Verhandlungen auf Klubebene vertrat die Volkspartei diese Position dann nicht mehr so vehement, die SPÖ war ohnehin eher prinzipiell dagegen.
Über allen Vorschlägen und Herangehensweisen steht dabei die Grundsatzfrage, ob eine Möglichkeit geschaffen werden soll, dass eine Initiative aus der Bevölkerung den direkten Weg zu einer verbindlichen Volksabstimmung nehmen kann. Diese Frage verlangt ein Ja oder Nein, es ist die Trennlinie in dieser Debatte.
Derzeit landen alle Volksbegehren, die von zumindest 100.000 Menschen unterschrieben werden, im Parlament und müssen dort diskutiert werden. Doch nur das Parlament darf eine Volksabstimmung beschließen, wenn diese nicht ohnehin zwingend ist, wie bei einer Gesamtänderung der Bundesverfassung (zuletzt beim EU-Beitritt 1995).
Gescheiterter Kompromiss
Im Vorjahr hatten sich die Parlamentsklubs auf einen gemeinsamen Antrag geeinigt, bei dem das Kunststück gelang, diese Grundsatzfrage zu umschiffen. Der Antrag sah dann vor, dass ein erfolgreiches Volksbegehren zwar wie bisher im Parlament diskutiert wird, sollte es dort aber keine Zustimmung erhalten, führt sein Weg zu einer Volksbefragung.
Eine solche Befragung des Volkes ist allerdings im Gegensatz zu einer Abstimmung nicht rechtlich bindend. "Das war unser Zugeständnis", sagt die grüne Verfassungssprecherin Daniela Musiol. Nachdem es zu diesem Antrag eine ganze Fülle von Stellungnahmen gab, insgesamt 65, wurde die Demokratiereform nicht mehr von der Wahl in Angriff genommen - trotz Einigung der Klubs.
Unter anderem hatte der Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts bemerkenswerterweise darauf hingewiesen, dass sich über das Ergebnis einer Volksbefragung die "parlamentarische Mehrheit im Nationalrat aus politischen Gründen in der Praxis kaum hinwegsetzen kann oder wird." Realpolitik schlägt in diesem Fall Gesetz? "Damit hat man dann das freie Mandat aufgegeben. Entweder gibt es das freie Gewissen oder nicht", so Musiol.
Nun also wieder alles zurück an den Start? Auch auf Wunsch von Nationalratspräsidentin Barbara Prammer soll es bis zum Sommer eine Enquete zum Thema "Stärkung der Demokratie in Österreich" geben. Es wird also in der Causa weitergeredet werden, immer weiter, im Nationalrat, von Düringer, von allen.