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Reden, um Spannungen abzubauen

Von Klaus Huhold

Politik

US-Außenminister Blinken besucht Peking. Die Erwartungen an diesen neuerlichen Dialog sind gering.


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Die Warnung war eindringlich. Eine militärische Konfrontation zwischen den USA und China wäre "ein furchtbares Desaster, schlimmer als der Erste Weltkrieg", warnte erst kürzlich der frühere US-Außenminister Henry Kissinger. "Beide sind Hightech-Mächte, sie haben beide Waffen von unbegrenzter Zerstörungskraft", sagte Kissinger der "Zeit".

Auch wenn ein Krieg zwischen den USA und China noch weit entfernt scheint - allein schon, dass ein Mann wie Kissinger, der sämtliche Winkelzüge und mögliche Verwerfungen der internationalen Diplomatie kennt, vor einem derartigen Szenario warnt, macht deutlich, wie brisant die Lage ist. Und auch mit Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine hatte ja, zumindest im Westen, zuvor kaum jemand gerechnet.

Einen großen Truppenaufmarsch, wie ihn Russlands Präsident Wladimir Putin vor dem Ukraine-Krieg durchführte, gibt es im Fall von China und den USA derzeit freilich nicht. Aber es finden sich jede Menge gefährlicher Minenfelder, die eine ohnehin bereits krisenbelastete Situation zur Eskalation bringen können. Im Konflikt um Taiwan tauchen chinesische Kampfjets immer öfter und immer aggressiver in der Nähe der Insel auf, die China für sich beansprucht und deren militärischen Schutz die USA sich vorbehalten. Und im Südchinesischen Meer kommen sich die Marinen von China und der Vereinigten Staaten immer wieder gefährlich nahe. Auch ein ungewollter Zwischenfall kann hier eine Reihe von Kampfhandlungen auslösen.

Was die Lage noch gefährlicher macht: Die beiden Staaten reden immer weniger miteinander. Selbst militärische Vertreter, die sich schon seit Jahren im Hintergrund austauschen, kommunizieren offenbar mittlerweile viel seltener. Genau das will nun aber US-Außenminister Antony Blinken ändern. Er bricht, heute, Freitag, nach China auf, um dort am Sonntag und Montag hochrangige Vertreter zu treffen. Hohe Erwartungen an den Besuch haben die USA schon vor dem Beginn der Reise zurückgeschraubt: Man rechne nicht mit irgendeiner Form eines Durchbruchs in den Streitpunkten der beiden Länder. Vielmehr gehe es darum, offene Kommunikationskanäle zu schaffen, damit sich der Wettstreit zwischen den beiden Ländern nicht zu einem Konflikt hochschraube. "Intensiver Wettbewerb erfordert intensive Diplomatie, wenn wir mit Spannungen fertig werden wollen", sagt ein US-Vertreter.

Positionen liegen ganz weit auseinander

Dass aber Blinken China überhaupt besucht, kann schon als zumindest leichtes Zeichen der Entspannung gewertet werden. Es ist dies nämlich der erste Besuch eines US-Außenministers in China seit 2018, und seit dem Amtsantritt von Präsident Joe Biden war noch kein höherrangiges Mitglied des Kabinetts in der Volksrepublik.

Der 61-Jährige hätte schon im Februar nach China reisen sollen. Dieser Besuch wurde aber kurzfristig abgesagt, nachdem das US-Militär einen mutmaßlichen chinesischen Spionageballon vor der amerikanischen Küste abgeschossen hatte. China sprach von einem zivil genutzten Ballon und einer Überreaktion.

Immer wieder heizt sich die Stimmung zwischen den beiden Großmächten wegen derartiger Vorfälle auf - zuletzt warfen die USA der Volksrepublik vor, von Kuba aus Spionage zu betreiben. Und in den großen politischen Streitfragen sind die Positionen so weit auseinander, dass es schwer vorstellbar ist, wie hier ein Konsens möglich sein soll.

Beispiel Taiwan: China betrachtet die demokratisch regierte Insel als abtrünnige Provinz und vor allem als interne Angelegenheit. US-Präsident Joe Biden hat Taiwan hingegen die Solidarität der USA versprochen.

Beispiel Südchinesisches Meer: China stellt hier gegenüber anderen Anrainerstaaten Gebietsansprüche. Die USA wiederum sehen sich als Garant des freien Schiffverkehrs. Aus der Sicht Pekings haben sie aber in den Gewässern rund um China nichts zu suchen, sondern würden sich durch ihre Präsenz in Chinas Kerninteressen einmischen. Und auch den Ukraine-Krieg hat China nie verurteilt, sondern pflegt weiter enge Kontakte mit Moskau.

Außerdem buhlen sowohl Peking als auch Washington um Einfluss in verschiedenen Staaten, besonders in der Pazifikregion. Diese bemühen sich oft, einen Doppelweg zu gehen: Die Philippinen, Vietnam, Thailand oder Indonesien versuchen, mit beiden Großmächten im Austausch zu stehen, ohne zu sehr auf eine Seite zu rücken. Wobei gerade Länder wie die Philippinen, die sich im Südchinesischen Meer in Territorialstreitigkeiten mit China befinden, auch militärisch mit den USA kooperieren.

Einer der wenigen versöhnlichen Töne kam vom ehemaligen chinesischen Botschafter in den USA, Qin Gang, bei seinem Abschied. "Die Welt ist groß genug, dass beide, China und die USA, sich entwickeln und gedeihen können", schrieb er in der "Washington Post". Wenn dem so ist, dann ist aber noch nicht ganz klar, wie der Raum zwischen den beiden Großmächten künftig abgegrenzt werden soll.