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Referendum in Venezuela: Letzte Chance für Chavez?

Von WZ-Korrespondentin Christine Leitner

Politik

Neuer Versuch zur längerer Amtszeit. | Wirtschaftsdaten gehen nach unten. | Caracas. In Venezuela gehen wieder die Emotionen hoch. Denn am Sonntag soll die Bevölkerung über eine Verfassungsänderung abstimmen, die Präsident Hugo Chavez den lebenslangen Verbleib in seinem Amt ermöglichen würde. Den jüngsten Meinungsumfragen zufolge kann Hugo Chavez am kommenden Sonntag zwar noch mit einer knappen Mehrheit rechnen, seine Popularität unter der Bevölkerung hat allerdings mit nur mehr 57 Prozent einen historischen Tiefststand erreicht.


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Davon zeugten auch die Demonstrationen am Wochenende. "Nein heißt nein!", skandierten rund 600.000 Chavez-Gegner. Damit spielt die Opposition auf eine ähnliche Volksbefragung an, die bereits 2007 mit einer Niederlage für Chavez endete. Chavez zeigte sich von den Protesten unbeeindruckt und schloss auch im Falle einer erneuten Niederlage ein weiteres Referendum nicht aus. Stunden nach den Protesten explodierte vor dem Hauptquartier der "Demokratischen Aktion", der stärksten Oppositionspartei in Venezuela, eine Granate.

Chavez, der vor kurzem sein zehnjähriges Amtsjubiläum feierte, ist derzeit in der zweiten Hälfte seiner zweiten Amtsperiode und plant, 2012 erneut zur Präsidentschaftswahl anzutreten. Für den Ausbau seines sogenannten "Sozialismus des 21. Jahrhunderts", mit dem er vor allem den sozial Schwächsten unter die Arme greifen will, brauche er noch mehr Zeit, so Chavez. Seine Gegner indes fürchten, dass weitere sechs Jahre ihres Präsidenten für Venezuela einen Meilenschritt in Richtung kubanischen Kommunismus bedeuten könnte.

Experten sagen, dass das Referendum für Hugo Chavez gerade noch rechtzeitig kommen könne, um von seiner Popularität zu profitieren. Denn das Wirtschaftswachstum Venezuelas nimmt in den letzten Jahren rapide ab: Lag es im Jahr 2007 noch bei 8,5 Prozent, so rutschte es im Jahr 2008 auf nur mehr 4,9 Prozent.

Für das Jahr 2009 wird sogar ein Negativwachstum von 1,5 Prozent und eine Inflation von 45 Prozent prognostiziert. In Zeiten sinkender Ölpreise drohen die Einnahmen aus Venezuelas wichtigster Geldquelle zu versiegen.

Mit 31 Prozent verzeichnet Venezuela derzeit die höchste Inflationsrate in Lateinamerika. Dazu kommen Versorgungsengpässe bei Lebensmitteln, eklatante Preissteigerungen und eine steigende Kriminalität als Hauptprobleme. Die Preise für Strom und Energie mussten von staatlicher Seite eingefroren werden, um die Belastungen für die Bevölkerung noch erträglich zu halten.

Angst bei den Juden

Neben der katholischen Kirche, die sich gegen die Wiederwahl von Chavez ausgesprochen hat, fürchtet auch die jüdische Gemeinde Venezuelas die aggressive Rhetorik des Präsidenten. Chavez´ israelfeindliche Haltung im jüngsten Gaza-Konflikt und die Beendigung der diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Ländern kulminierte zu Monatsbeginn in der Schändung von Venezuelas ältester Synagoge.

Unter den mittlerweile elf festgenommen Tatverdächtigen finden sich sieben Polizisten. Elias Farache, Präsident der venezolanisch-israelitischen Kultusgemeinde, will indes nicht instrumentalisiert werden. Er unterstreicht: "Unsere Gemeinde ist apolitisch!"