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Reform der Institutionen

Von Franz Molitor

Gastkommentare

Wie eine EU-Verfassung im Sinne von mehr Klimaschutz, Rechtsstaatlichkeit und Steuergerechtigkeit aussehen könnte.


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Eine Reihe von ökologischen, wirtschaftlichen und politischen Problemen machen eine Reform der Entscheidungsfindungsprozesse innerhalb der Europäischen Union unumgänglich. Im Folgenden sind einige mögliche Ansätze skizziert, wie eine Verfassungsreform der EU aussehen könnte:

§ 1: Die EU ist eine demokratische Republik. Alle Mitgliedsländer und eng assoziierten Efta-Mitglieder bekennen sich zu den Grundwerten nach Artikel 2 EUV des Lissabon-Vertrags: "Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte, einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören. Diese Werte sind allen Mitgliedstaaten in einer Gesellschaft gemeinsam, die sich durch Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und die Gleichheit von Frauen und Männern auszeichnet."

1.1. Oberstes Organ der Rechtsprechung ist der Europäische Gerichtshof (EuGH). Sein Wirkungsbereich umfasst im geografischen Sinne alle Mitgliedsländer und die eng assoziierten Efta-Mitglieder. Rechtsgrundlage ist das EU-Recht, so wie es in den vergangenen Jahrzehnten entwickelt wurde. Rechtsmaterien, die mit Menschenrechten, Klimaschutz, leistbarem Wohnen und ähnlichen zentralen Fragen kollidieren, müssen überarbeitet werden.

1.2. Das EU-Recht steht (in näher zu definierenden Bereichen) über nationalem Recht. Grundsätzlich soll die nationale Gesetzgebung bestehen bleiben, Regionalparlamente hingegen ob ihrer Zweckmäßigkeit als gesetzgebende Instanz hinterfragt werden.

1.3. Alle EU- und Efta-Mitglieder sollen das Recht erhalten, zu wählen, ob sie als Vollmitglied oder als eng assoziiertes Mitglied ohne Beistandsverpflichtung an der EU teilnehmen wollen. Dies nicht zuletzt vor dem Hintergrund der beiden Weltkriege und der fatalen Konsequenzen der Militärbündnisse. Die EU ist ein Friedensprojekt, an dem auch neutrale oder armeelose Mitglieder entscheidend an der Weiterentwicklung des Kontinents ihren Beitrag leisten können sollen. Die EU ist auch ein antikoloniales Projekt, das sich für die Verbrechen der europäischen Kolonialmächte entschuldigt und an der Entwicklung in den ehemaligen Kolonien selbstlos und aktiv Anteil nimmt, um die Verschuldung und wirtschaftliche Abhängigkeit der Länder des Südens zu beenden.

1.4. Oberstes Entscheidungsgremium der EU ist das Parlament, das aus zwei gleichberechtigten Kammern besteht. Zusätzlich gibt es eine Dritte Kammer, den Klimarat, der ein weitreichendes Vetorecht besitzt.

1.5. Die Erste Kammer bilden der jetzige Europäische Rat und - so sie das wollen - die eng assoziierten Efta-Staaten, die in der Regel jetzt schon ihren finanziellen Beitrag zum EU-Budget leisten. Der Klimarat hat weitreichende Aufsichtspflichten und Kontrollrechte.

1.6. In der Zweiten Kammer sitzen Abgeordnete, die bei den EU-Wahlen gewählt werden. Die jetzige EU-Kommission wird der Zweiten Kammer des Parlaments als wissenschaftlicher Apparat zugeordnet. Die fürstlich dotierten Kommissarsposten fallen weg. Der Klimarat hat weitreichende Aufsichtspflichten und Kontrollrechte.

1.7. Grundsätzlich soll das Antreten länderübergreifender Listen und Parteien gefördert werden. (Konkretes Beispiel: Es ist nicht gewährleistet, dass bis zur Fertigstellung des Brenner-Eisenbahntunnels auch die Zubringerstrecken bis München und Mailand fertiggestellt sind und der Großteil des Güterverkehrs dann nicht mehr per Lkw den Brennerpass passiert. Eine Tiroler Liste, die die Transithölle beenden wollte, hätte keine Chancen, einen Sitz im EU-Parlament zu erlangen - eine länderübergreifende Liste von Umweltaktivisten zwischen Mailand und München hätte hingegen deutlich bessere Chancen, ihre Anliegen ins EU-Parlament zu tragen.)

1.8. Ethnische Minderheiten, die in mehreren Mitgliedsländern leben (etwa Sinti und Roma), erhalten ein zusätzliches Kontingent an Abgeordnetensitzen.

1.9. Verhandlungen mit Nicht-EU-Mitgliedern führen gleichberechtigte Vertreter der Ersten und der Zweiten Kammer gemeinsam. Der Klimarat hat weitreichende Aufsichtspflichten und Kontrollrechte.

1.10. In der Dritten Kammer, dem Klimarat, sitzen Mitglieder aus der Welt der Wissenschaften. Er hat in allen klimarelevanten Fragen ein Vetorecht. Tritt dieser Fall ein, muss ein Vorschlag in beiden Kammer neu diskutiert und/oder vom EuGH behandelt werden. Ob eine Frage klimarelevant ist, entscheidet der Klimarat selbständig, im Notfall auch mittels Minderheitsfeststellung, falls im Klimarat keine Einigung in dieser Frage erzielt werden kann. Der Klimarat hat auf EU- und nationaler Ebene ein Vetorecht gegen alle Projekte, Richtlinien, Gesetze und Verordnungen, die den Klimaschutz gefährden.

1.11. Entscheidungen in zentralen Fragen müssen in der Ersten und der Zweiten Kammer jeweils mit Zweidrittelmehrheit getroffen werden. Wird diese in einer der beiden oder in beiden Kammern knapp verfehlt, kann der Klimarat als Mediator fungieren.

1.12. Für Entscheidungen in weniger zentralen Fragen reicht eine einfache Mehrheit in jeweils beiden Kammern aus.

1.13. Mitgliedern in allen drei Kammern des Parlaments kann das Stimmrecht entzogen werden, wenn sie gegen die Grundwerte der EU verstoßen. In jeder Kammer ist dafür jeweils eine Zweidrittelmehrheit der Stimmberechtigten notwendig. Der Klimarat hat ein Vetorecht gegen den Stimmrechtentzug. Letzte Instanz ist der EuGH.

1.14. Um Putsche oder innere Blockaden zu verhindern, können Vollmitgliedern und eng assoziierten Efta-Staaten nach groben Verstößen gegen die Grundwerte oder nach wiederholter mutwilliger Blockade vorübergehend (etwa bis zu einem Regierungswechsel) alle Vorteile der EU-Mitgliedschaft beziehungsweise der eng assoziierten Partnerschaft entzogen werden und das betreffende Land aus allen Institutionen der EU ausgeschlossen werden. In der Ersten und der Zweiten Kammer genügt dafür jeweils eine Zweidrittelmehrheit der Stimmberechtigten.

1.15. Steuerpolitik ist im Wesentlichen Aufgabe der EU. Unternehmens-, Konsum- und Einkommensteuern müssen weitestgehend vereinheitlicht werden. Eine Neuausrichtung der Steuerpolitik zur zeitgemäßen Finanzierung der Institutionen und Projekte auf EU- und nationaler Ebene soll ein Hauptanliegen in den kommenden Jahren sein. Nationale Besonderheiten, die darüber hinausgehen, können - sofern nichts dagegen spricht - bestehen bleiben beziehungsweise eingeführt werden. Dadurch darf aber kein Wettbewerbsvorteil - beabsichtigt oder unbeabsichtigt - herbeigeführt werden.

1.16. Steuerschlupflöcher stellen einen der gröbsten Verstöße gegen die Grundwerte der EU dar und sind zu schließen.