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Chinas neue Führungsgeneration spiegelt den Wandel wider. Darum wird es ihr gelingen, auf den Westen zuzugehen.
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Österreichische Ingenieure oder Manager kennen das Phänomen: Sie reisen nach China, um ein Projekt voranzutreiben. Dort fällt es ihnen schwer, mit chinesischen Kollegen Kontakt aufzubauen. Wir denken sofort an interkulturelle Hürden, doch es gibt noch einen weiteren, spannenden Aspekt: Chinas Identität.
Im Rahmen des Parteikongresses nächste Woche wird die Führung für das kommende Jahrzehnt bestimmt. Und so stellt sich die Frage, ob dieser Führungswechsel für westliche Manager und Ingenieure denn irgendeine Auswirkung hat.
Die Antwort darauf ist ein klares Ja. Die sogenannte fünfte Führungsgeneration bildet in ihren persönlichen Lebensläufen ab, wie stark sich China wandelt. Gerade deshalb übernimmt sie eine wichtige Rolle für Chinas Identitätsklärung.
Doch welche Fragen sind eigentlich offen für Chinas momentane Identitätsfindung? Es geht ums Dazugehören und Abgrenzen, um das eigene Selbstverständnis zwischen Erniedrigung und Nationalstolz. Auch die Integration alter Werte in einer neuen Gesellschaft spielt da hinein.
Diesen Ambivalenzcharakter will ich anhand von einigen Beispielen beschreiben:
Einerseits handelt es sich bei der Volksrepublik China immer noch um ein Entwicklungs- und Billiglohnland, andererseits um den aktuellen Patentweltmeister. Zum einen wird "Sozialismus chinesischer Prägung" gelebt, zum anderen wirkt es paradox, wenn gerade dieses Fundament den Aufstieg zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt möglich macht.
Zudem haben die Menschen seit Konfuzius eine kollektivistische Grundhaltung verinnerlicht, doch nun bringt eine Generation von Wohlstand-Einzelkindern ein neues Phänomen ins Land: den Traum von Selbstverwirklichung und Individualismus.
Auch die "Schande der Erniedrigung" (Opium-Kriege, ausländische Kolonien wie zum Beispiel in Hongkong) ist in China noch immer präsent, der Westen wird skeptisch beäugt. Auf der anderen Seite lernen Chinesen sehr gerne vom Ausland: Alleine in den USA haben im Vorjahr 157.558 chinesische Studenten inskribiert.
Und während im US-Wahlkampf Kritik an China zum Kalkül gehört, steigt Li Yuanchao voraussichtlich in den engsten Führungskreis auf. So wie viele seiner Generation wurde auch er während der Kulturrevolution zur Arbeit aufs Land verschickt. Später hat er an der US-Eliteuniversität Harvard studiert.
Der aktuell stattfindende Wandel schafft Ambivalenzen - auch im Umgang mit dem Westen. Wenn der 18. Parteikongress eine neue Führungsgeneration verankert, zählen Juristen, Finanzexperten und Unternehmer dazu. Durch Ihre Ausbildung bringen sie diversifizierte Qualifikationen mit. Darüber hinaus gibt es in ihren Lebensläufen zunehmend Berührungspunkte zum Ausland.
Dieser Hintergrund trägt große Chancen in sich, denn er macht es für die chinesische Seite einfacher, auf den Westen zuzugehen. Und genau davon profitieren österreichische Ingenieure und Manager in ihrer täglichen Arbeit.