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Reformieren ohne Kahlschlag

Von Renate Scheichelbauer-Schuster

Gastkommentare

Gastkommentar: Was bei der politisch gewünschten Reform der Gewerbeordnung zu beachten ist.


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Jedes Unternehmen ist einzigartig. Jeder Unternehmer ist individuell. Diese Einzigartigkeit, diese Individualität wird im täglichen Wirtschaftsgeschehen abgebildet. Die Gewerbeordnung bildet hierfür einen verlässlichen Rahmen. Sie ermöglicht individuelles Unternehmertum, sie regelt den Zugang einzigartiger Unternehmen.

Nun steht eine politisch gewünschte Reform der Gewerbeordnung zur Diskussion - unter mehreren Gesichtspunkten: Ein einheitlich freier Gewerbeschein soll nach dem Prinzip "Eine Gewerbeanmeldung = Eine Grundumlage" erfolgen, sodass es zu keinen Mehrfachumlagen mehr kommt. Die (voll- und teil-)reglementierten Gewerbe sollen evaluiert werden, um damit mögliche freie Zugänge zu ermöglichen.

Die Standpunkte der heimischen Betriebe sind klar: Qualifikation und Qualität sind unverrückbare Eckpfeiler, wenn es darum geht, Konsumentensicherheit und duale Ausbildung zu sichern. Der Meister ist Ausdruck eines bestens funktionierenden Systems der Aus- und Weiterbildung. Er trägt die Verantwortung dafür, dass betriebliches Wissen weiterentwickelt, Innovationen implementiert werden können und der berufliche Nachwuchs die beste Ausbildung erhält.

In Deutschland führte das Wegfallen der Meisterpflicht zu einem eklatanten Ausbildungsschwund. Arbeitgeberbetriebe kamen durch Ein-Mann-Betriebe unter enormen Preisdruck. Diese wiederum hatten mit drei bis fünf Jahren eine unterdurchschnittliche Überlebensdauer am Markt, ohne Jobs oder Lehrplätze geschaffen zu haben. Der durchschnittliche Jahresumsatz dieser Betriebe lag bei 17.000 Euro! Und branchenweise brach die Lehrlingsausbildung um bis zu 70 Prozent ein!

Qualifikationen anerkennen

Im Laufe der vergangenen Jahre wurde die vorliegende Gewerbereform immer wieder reformiert. Dabei führte unter anderem die Freigabe des Fotografengewerbes dazu, dass die Zahl der Einzelkämpfer explodierte, während die Lehrlingsausbildung um 46 Prozent einbrach. Das bedeutet, dass in Gewerbe und Handwerk, dem als Garant für Wertschöpfung und Jobs in den Regionen große Bedeutung zukommt, Liberalisierung und Deregulierung nicht zwingend zu positiven volkswirtschaftlichen Ergebnissen führen.

Europaweit geht der Trend immer stärker in Richtung Anerkennung von Qualifikationen. Das Erlernen von Kenntnissen und Fähigkeiten, die Verschränkung von beruflicher und schulischer Bildung ist ein richtungsweisender Weg in die Zukunft, der beide Seiten stärkt. Jugendlichen die Ausbildungsgrundlage zu entziehen, bedeutet die Zukunft aus den Augen zu verlieren.

Der Meister, die duale Ausbildung, qualifiziert zum Unternehmertum. Zugleich ist Österreich beim Zugang zu reglementierten Berufen bereits deutlich liberaler als Deutschland. Denn hier wird die individuelle Befähigung anerkannt, also der Nachweis darüber, auch über andere Ausbildungswege Unternehmer zu werden. Damit wird eine Mindestqualifikation sichergestellt, die wiederum Einfluss auf die Qualität hat.

Die Wirtschaft hat sich immer vehement für Verwaltungsvereinfachungen und Entbürokratisierung ausgesprochen. Dies muss auch das erklärte Ziel einer Reform der Gewerbeordnung sein. Es braucht dringende Vereinfachungen bei der Genehmigung von Betriebsanlagen, Reduktionen bei Genehmigungsverfahren, Informations- und Meldepflichten.

Ein Beispiel: Haushaltsübliche Reinigungsmittel mutieren im betrieblichen Alltag zu gefährlichen Stoffen. Oder Firmen müssen Aufenthaltsräume für Teilzeitmitarbeiter einrichten, deren Arbeitszeit zu kurz ist, um diese nutzen zu können. Zukunftsgerichtet bürokratische Wege zu vereinfachen und zu bündeln, ist ein starkes Signal. Hindernisse aus dem Weg zu räumen, erleichtert Unternehmen den Alltag. Dies muss die Prämisse für eine Reform der Gewerbeordnung sein.

Zur Autorin

Renate

Scheichelbauer-Schuster

ist Unternehmerin und Obfrau der Bundessparte Gewerbe und Handwerk in der WKÖ sowie Vizepräsidentin des Österreichischen Wirtschaftsbundes.