Nicht nur der Süden hat Nachholbedarf, sondern ganz Europa. Auch Österreich wird um weitere Reformen nicht herumkommen.
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Mit der niedrigsten Arbeitslosigkeit, einer soliden Exportwirtschaft und der geringsten Schattenwirtschaft steht Österreich im europäischen Vergleich sehr gut da. Dennoch hat die Kommission vorige Woche auch für Österreich eine Reihe von spezifischen Empfehlungen abgegeben. Denn wenngleich die aktuelle wirtschaftliche Situation die Aufmerksamkeit auf den Süden lenkt, hat ganz Europa Nachholbedarf.
Der Punkt ist: Wenn Österreich auch morgen noch gut dastehen soll, wird man um weitere Reformen nicht herumkommen. Die Empfehlungen sind weder eine willkürliche Sammlung von Kritikpunkten noch ein Zeugnis durch den Oberlehrer EU. Sie sind Teil eines partnerschaftlichen Prozesses, bei dem die europäische und die nationale Ebene gemeinsam Strategien erarbeiten. Diese sollen zu einem intelligenten Abbau der Schulden, einer Modernisierung der Strukturen und einer gezielten Förderung von Wachstum und Jobs führen. Es ging nie um die Frage Konsolidierung oder Wachstum, sondern stets um deren sinnvolle Verknüpfung. Unter diesen Prämissen hat die EU-Kommission Budget- und Politikpläne aller Mitgliedsländer unter die Lupe genommen. Ziel ist die Erhaltung der globalen Wettbewerbsfähigkeit Europas sowie seines Wirtschafts- und Gesellschaftsmodells.
In diesem Kontext wurden die Empfehlungen formuliert - auch für erfolgreiche Länder wie Deutschland, Schweden oder Österreich. Europa ist auf die fortgesetzte Dynamik dieser "Zugpferde" angewiesen, wenn es global nicht zurückfallen möchte. Auch die Avantgarde darf sich nicht ausruhen, denn unter der Oberfläche positiver Daten schlummern Probleme. Diese frühzeitig aufzuzeigen und Reaktionen anzustoßen, ist Sinn der Empfehlungen. In Österreichs Fall reichen sie von der Konkretisierung einzelner Aspekte der Budgetkonsolidierung über Effizienzsteigerungen im Verwaltungsbereich bis hin zur Öffnung geschützter Wirtschaftssegmente und zur Kapitalisierung von Banken.
Vor allem aber drei Empfehlungen gibt es, die einen besonders wichtigen Reformbedarf ansprechen:
Das Pensionssystem ist nicht nachhaltig abgesichert. Altersbezogene Ausgaben liegen in Österreich weit über dem EU-Schnitt, das faktische Antrittsalter weit darunter. Eine bessere Anpassung an steigende Lebenserwartungen ist geboten.
Potenziale auf dem Arbeitsmarkt müssen besser angesprochen werden, etwa durch adäquate Einbindung älterer Arbeitnehmer oder von Migranten. Der Faktor Arbeit gehört zu den am höchsten belasteten in der EU. Die Einkommensschere für Frauen ist eines Landes wie Österreich unwürdig.
Bei der Bildung stimmen die bisherigen Investitionen nicht mit den Resultaten überein. Der viertletzte Platz bei der Lesekompetenz der 15-Jährigen ist ein deutliches Signal. Als Hauptproblem erscheint dabei die oft sozial "programmierte" frühe Kategorisierung von Kindern hinsichtlich des Ausbildungsweges.
Die eingeleiteten Maßnahmen der Bundesregierung werden von der EU-Kommission anerkannt. Doch ist der Reformprozess nicht (und vielleicht nie) am Ende.