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Reformstopp in Europa?

Von Georg Friesenbichler

Analysen

Italien, Frankreich, Deutschland - drei Länder, eine Misere. | In Italien wird Ministerpräsident Romano Prodi viel zu tun haben, seine inhaltlich stark divergierende Koalition zusammen zu halten. In Frankreich werden nach dem Scheitern des Erstein-stellungsvertrages bis zu den Wahlen kommendes Jahr keine wichtigen Gesetzesvorhaben mehr durchzusetzen sein. Und in Deutschland muss die Große Koalition ihre Reformkraft erst beweisen.


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So lautet der Tenor von Prognosen und Analysen nach den jüngsten politischen Ereignissen in Europa. Und auch wenn sich die drei großen Länder des Kontinents in vielem unterscheiden, wird ihnen eine Übereinstimmung vorausgesagt: Die dringend nötigen Reformen werden in diesen Ländern auf die lange Bank geschoben.

Steigende Kosten für die Sozialsysteme, Überalterung, Überregulierung, mangelnde Wachstumsraten, hohe Arbeitslosigkeit werden als jene Probleme genannt, die den drei Staaten gemeinsam sind. Auch andere europäische Länder sehen sich den gleichen Herausforderungen gegenüber. Aber Italien, Frankreich und Deutschland steuern zwei Drittel zur Wirtschaftsleistung der Eurozone und fast die Hälfte zu jener der gesamten EU bei.

Die Führungseliten dieser Länder wissen, dass sie etwas tun müssen. Jean-Claude Juncker, der Ministerpräsident Luxemburgs, formulierte es so: "Jeder weiß, welche Reformen umgesetzt werden müssen, aber keiner weiß, wie man sie umsetzen kann und danach Wahlen gewinnt." In weiten Teilen Europas haben die Anti-liberalen die intellektuelle Debatte gewonnen, beklagte denn auch der Leiter eines britischen Think-tanks.

Tatsächlich deuten die Proteste in Frankreich, die Streiks in Deutschland wie auch das italienische Wahlresultat darauf hin, dass viele Bürger die Bekenntnisse ihrer Regierungen zu offenen Märkten und Deregulierung nicht nachvollziehen wollen. Liberalisierung und Globalisierung wird von ihnen nicht als Lösung, sondern als Ursache für die Probleme, allen voran die Arbeitslosigkeit, empfunden.

Auch die Ablehnung der EU-Verfassung bei den Referenden in Frankreich und den Niederlanden weisen in diese Richtung. Dass sich jetzt in den wichtigsten Ländern des Kontinents Regierungen finden, denen man wenig Lösungskompetenz zutraut, wird die EU insgesamt schwächen.