Will sie notwendige, eher unpopuläre Sparmaßnahmen umsetzen, braucht die Bundesregierung jenes Vertrauen, das sie gerade weitgehend verspielt hat.
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Offenbar will die amtierende Bundesregierung jenen Shitstorm der Empörung, der angesichts der nach der Wahl offenkundig gewordenen Finanzlücke im Budget über sie hinweggefegt ist, einfach aussitzen. Eher patzig erklärt sie ihren kreativen Umgang mit den Fakten im Wahlkampf als mehr oder weniger dem Zufall des Zeitablaufs geschuldet - "a blede Gschicht" halt.
Das ist vielleicht verständlich, aber nicht sehr vernünftig. Denn dank ihres doch stark befremdlichen Umgangs mit der Finanzplanung der Republik haben die Reputation und vor allem die Glaubwürdigkeit der Regierung erheblich gelitten. Wenn Vergleichbares in einem Unternehmen passiert, das auf das Vertrauen seiner Kunden angewiesen ist, führt nur ein einziger Weg zurück zum Vertrauen: Schonungslos alle Karten auf den Tisch legen, genau die Ursachen dokumentieren, die das Problem herbeigeführt haben, einen glaubwürdigen Plan vorlegen, wie dergleichen künftig verhindert werden soll - und schließlich personelle Konsequenzen ziehen.
Nur so kann nach einem Reputationsdesaster wieder Reputation gewonnen werden. Was der Regierung noch nicht wirklich klar geworden sein dürfte. Sie schränkt damit ihren politischen Handlungsspielraum erheblich ein und verringert so ihre Möglichkeiten, der Bevölkerung ein paar unerfreuliche Wahrheiten zu präsentieren und die daraus folgenden unerquicklichen Konsequenzen zu ziehen.
So hat etwa Wolfgang Eder, hoch angesehener Chef des Voest-Konzerns, dieser Tage (in der "Presse") eine auf drei Jahre befristete Vermögenssteuer für Besitz über einer Million Euro vorgeschlagen - freilich nur unter der Bedingung "einer Generalsanierung der Staatsfinanzen, einschließlich Pensionsreform, umfassender Verwaltungs- und Gesundheitsreform und Rückzug des Staates auf seine Grundfunktionen". Und er fügte trocken hinzu: "Es bedarf dabei absoluter Transparenz, das heißt, es wird wohl auch die Politik noch an ihrer Glaubwürdigkeit arbeiten müssen, um die notwendige Akzeptanz dafür zu schaffen."
Genau das ist der Punkt. Ganz abgesehen davon, dass es auch ein paar ganz valide Argumente gegen eine derartige temporäre Vermögenssteuer gibt: Politisch einigermaßen verkäuflich kann so etwas nur sein, wenn die Versprechen der Regierung, Herrn Eders Bedingungen zu erfüllen, vollkommen glaubhaft sind. Also wenn der Wähler sicher sein kann, dass nicht etwa eine Vermögenssteuer kommt, aber Pensions-, Verwaltungs- und Gesundheitsreform weiter bloß Gegenstand der Erörterung und nicht der Umsetzung bleiben.
Deshalb muss sich die Bundesregierung nun einer etwas unerquicklichen Frage stellen: nämlich jener, warum ihr nach dem Budget-Desaster eigentlich noch jemand glauben soll, dass nun wirklich alle Karten am Tisch liegen und die künftigen, schmerzhaften Sanierungsmaßnahmen tatsächlich nach bestem Wissen und Gewissen umgesetzt werden. Solange SPÖ und ÖVP diese Frage nicht klar und schlüssig beantworten können, haben sie - und damit die Republik - ein ernsthaftes Problem.
ortner@wienerzeitung.at