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Unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen: Womöglich können Österreichs Politiker weniger für ihre Politik, als wir Kritiker glauben wollen.
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Die - überwiegend hämischen - Beobachter der politischen Scheinaktivitäten in und rund um die Bundeshauptstadt gehen ja gemeinhin davon aus, dass die Politiker so geworden sind, weil sie eben in ihrem tiefsten Inneren immer schon so waren. Was aber, wenn Faymann, Spindelegger, Strache, Glawischnig und Co einmal ganz anders waren und nur durch die besonderen Umstände ihres Metiers so wurden? Dann würden wir alle, die wir unsere Politiker - manchmal öfters, manchmal seltener, oft zu Recht und mitunter zu Unrecht - mit Kritik und Spott überziehen, diesen schweres Unrecht antun.
Das ist, zugegeben, ein gewagter Gedanke, aber doch nicht mit der nötigen Gewissheit auszuschließen.
Was also, wenn unser Spitzenpersonal völlig unfreiwillig in ihre gegenwärtige Form gepresst wurde? Etwa durch ihre Rollen im politischen Betrieb, über die mindestens so sehr individuelle Fortune und historische Erbpacht wie das höchstpersönliche Talent entscheiden?
Vom renommierten Wiener Staatsrechtler Manfried Welan stammt der wunderbare Aphorismus: "Regieren macht optimistisch und rechts - Opposition macht pessimistisch, aber ganz sicher nicht links." Welan ist, aber das nur nebenbei, wohl einer der besten Psychoanalytiker der Zweiten Republik.
Nun, dass Regieren optimistisch macht, wird jeder zugestehen, der Werner Faymann, Michael Spindelegger und die Phalanx ihrer Vorgänger beim Verdrängen und Schönreden kleiner und größerer Probleme des Landes beobachten durfte. Aber macht Regieren auch automatisch rechts?
Mit Blick auf die SPÖ erübrigt sich jede weitere Erörterung, schließlich würden weder Freund noch Feind der heimischen Sozialdemokratie linke Weltverbesserung unterstellen. Bei der ÖVP schaut das schon anders aus, immerhin beklagt gut die Hälfte ihrer zahlreichen Kritiker, die Volkspartei habe ihr bürgerliches, wirtschaftsliberales Profil verloren. Dessen ungeachtet betrachtet die andere Hälfte die Schwarzen nach wie vor als Hort der gesellschaftlichen Reaktion und Bannerträger eines gefühlkalten Neoliberalismus; allerdings sollte man hinzufügen, dass diese Stimmen meist, wenngleich nicht ausschließlich, aus den Reihen der politischen Konkurrenz kommen.
Auch die Formkräfte in der Opposition sind differenzierter, als es das Welan’sche Bonmot vermuten ließe. Tatsächlich vereint alle Parteien fern der exekutiven Macht ein apokalyptischer Blick auf die politische Wirklichkeit, für die naturgemäß die Regierung die Alleinverantwortung zugewiesen erhält.
Dass Opposition jedoch ganz sicher nicht links macht, ist nicht so eindeutig belegbar. Immerhin positionierte sich die SPÖ in den Jahren der Opposition unter Schwarz-Blau/Orange sehr wohl eindeutig links (mit der erwähnenswerten Ausnahme der Verschärfung des Fremdenrechts 2005); sehr viele andere Möglichkeiten standen ihr im Angesicht einer Mitte-Rechts-Koalition allerdings auch nicht offen.
Sie haben also doch die Wahl, wie sie Politik machen wollen, die Faymanns und Spindeleggers, die Straches und Glawischnigs.