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In Polen zeichnet sich Koalition von PiS und Samoobrona ab. | EU-Sanktionen noch ausgeschlossen. | Noch ist es nicht fix. Sollte aber die polnische Regierungspartei PiS (Recht und Gerechtigkeit) tatsächlich eine Koalition mit der rechtspopulistischen Samoobrona (Selbstverteidigung) eingehen und deren Vorsitzenden Andrzej Lepper zum Vizepremier machen, wird ein Albtraum vieler Beobachter wahr.
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Lange Zeit wurde der stets solarium-gebräunte ehemalige Schweinezüchter und Boxer als Paria der polnischen Politik behandelt. Einen Namen machte er sich schon kurz nach 1989, als er sich an die Spitze protestierender Bauern stellte, die wegen gestiegener Kreditzinsen mit Traktoren Straßen blockierten. Als Vorsitzender der Gewerkschaft Samoobrona, die 1992 zur gleichnamigen Partei wurde, wetterte Lepper gegen Privatisierungen, den Ausverkauf des Landes und die EU-Ambitionen Polens. Wegen gewaltsamer Proteste und Ehrenbeleidigung wurde er mehrfach von Gerichten verurteilt. 2001 schaffte seine Partei den Einzug in den Sejm (Parlament), im Vorjahr erhielt sie mehr als elf Prozent der Stimmen und wurde drittstärkste Fraktion.
Die nun laufenden Koalitionsgespräche waren keine große Überraschung. Schon vor Wochen hatte PiS-Vorsitzender Jaroslaw Kaczynski - dessen Zwillingsbruder Lech Kaczynski Staatspräsident ist - ein Stabilisierungsabkommen mit der Samoobrona und der rechtspopulistischen Liga der Polnischen Familien unterschrieben. Doch eine Zeit lang schien, dass Kaczynski eine vorgezogene Neuwahl lieber wäre als die Abhängigkeit von einem unstabilen Koalitionspartner. Das Parlament lehnte aber seine Selbstauflösung ab.
Programmatisch sind PiS und Samoobrona in so manchem Punkt gar nicht weit voneinander entfernt. Beide Gruppierungen wollen sich für die so genannten kleinen Leute stark machen, plädieren für einen Ausbau des Sozialstaats, größere Unterstützung von Pensionisten und Landwirten und die Verteidigung der Nationalinteressen gegenüber der EU. Das Vorantreiben wichtiger Wirtschaftsreformen genießt dabei kaum Vorrang. Sogar den Bestrebungen von Samoobrona, die Unabhängigkeit der Polnischen Nationalbank einzuschränken, setzt PiS kaum Widerstand entgegen.
Gerade das wird aber die EU-Kommission genau beobachten. Polens Geld- und Steuerpolitik, Regelungen auf dem Arbeitsmarkt und in der Landwirtschaft wird sie mehr Aufmerksamkeit widmen als der künftigen Koalitionsform, die Brüssel als interne Angelegenheit des neuen EU-Mitglieds betrachtet. Diplomatische Sanktionen sind daher so gut wie ausgeschlossen. Die Maßnahmen, die die EU-14 nach der Bildung der ÖVP-FPÖ-Koalition vor sechs Jahren gegen Österreich ergriffen haben, hätten nicht den gewünschten Effekt gebracht, heißt es in Brüssel. Den Fehler will die Union gegenüber Polen nicht wiederholen. Bevor sie Andrzej Lepper zum europäischen Problem macht, wartet sie zunächst ab.