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Regieren riskieren

Von Walter Hämmerle

Leitartikel

Erstaunlich: Kaum sind die Wahlen geschlagen, erwacht die Politik aus ihrem zwischenzeitlichen Tiefschlaf: Der Machtkampf zwischen Bund und Ländern erwacht zu neuem Leben, radikale Ideen für eine politische Lösung der Asyl-Altfälle werden gewälzt, und selbst beim Budget wird es langsam konkreter.


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Weiß der Kuckuck, warum unsere p.t. Regierenden glauben, ausgerechnet in Wahlzeiten sei den Bürgern Politik nicht zumutbar...

Allerdings: SPÖ und ÖVP sind seit jeher Weltmeister im Reden und Zerreden. Über tatsächliche oder vermeintliche Missstände kann man in Österreich prächtig streiten, allein mit dem Handeln haben wir unsere Probleme. Fast jeder Minister gäbe einen prächtigen Hamlet für die Bühne ab, das Zaudernde, Zögernde ist ihren Polit-Genen fest eingeschrieben. Allein die Tatkraft ist bescheiden.

Doch genau die wäre nun langsam gefragt. Die Wahlergebnisse in der Steiermark und in Wien lassen für Rot wie Schwarz gleichermaßen nur einen Schluss zu: Wer regiert, riskiert durchaus, abgewählt zu werden. Wer aber nur so tut als ob, der wird vom Bürger mit Gewissheit abgestraft.

Perfekte Lösungen für die Probleme - von Pensionen über Gesundheit und Pflege bis hin zu Bildung und Steuern - wird es nicht geben. Der Traum vom "großen Wurf" passt nicht in eine Zeit, in der um jede kleine Änderung am Status quo von allen Beteiligten mit unglaublicher Verbissenheit gekämpft wird. Wer solche Erwartungshaltungen herbeischreibt, sorgt am Ende nur für Zuwachs im Meer der Politik-Verdrossenen.

Eines können die Bürger aber sehr wohl erwarten: Führungsstärke oder Leadership, wie es Christoph Leitl (siehe Seite 8) von der Koalitionsspitze endlich einfordert. Das Mindeste nämlich, was man von Führungskräften erwarten kann, ist, dass sie wissen, wo sie überhaupt hinwollen und dann den Weg zu diesem Ziel vorgeben.

An dieser Vorgabe zu scheitern, ist keine Schande. Blamabel ist nur, es nicht einmal zu versuchen. Österreichs Politiker-Lexikon der vergangenen Jahrzehnte ist bereits voll von Namen, von denen kein Mensch weiß, was sie überhaupt jemals erreichen wollten. Für das Land wohlgemerkt, nicht für sich selbst.

Siehe auch:Leitl will politische Amnestie für alle Asyl-Altfälle