Zum Hauptinhalt springen

Regierung Bush wegen Putsch in Venezuela unter Beschuss

Von Rainer Mayerhofer

Politik

Washington - Obwohl der Sprecher des amerikanischen Präsidenten, Ari Fleischer, sich um Schadensbegrenzung bemüht und betont, es habe nie Versprechungen gegeben, einen Putsch gegen den venezolanischen Präsidenten Hugo Chavez zu unterstützen, wächst die Kritik an der amerikanischen Regierung rund um die Ereignisse in Venezuela, seit bekannt geworden ist, dass US-Diplomaten seit Monaten rege Kontakte mit Chavez-Gegnern unterhalten haben.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 23 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Das Weiße Haus musste zugeben, dass es die Intentionen der Chavez-Gegner kannte, den Präsidenten zu stürzen. US-Diplomaten haben sich in den vergangenen Monaten wiederholt mit den Gegnern des venezolanischen Präsidenten getroffen, der seit seiner Wahl im Dezember 1998 Washington ein Dorn im Auge war, unterhielt er doch freundschaftliche Beziehungen mit Kuba, dem Irak, Iran und Libyen, die als Erzfeinde der USA gelten.

Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums dementierte die Berichte über die Treffen mit den Chavez-Gegnern auch gar nicht, meinte aber, es habe keinerlei Versprechen gegeben, den Putschisten Waffen zu liefern oder ihnen anderweitig Hilfe in Aussicht zu stellen.

Weder bestätigt noch dementiert wurden in Washington Gerüchte, dass Otto Reich, ein umstrittener Unterstaatssekretär, der seinerzeit in die Iran-Contra-Affäre verwickelt war und der kubanisch-amerikanischen Lobby angehört, persönlich an diesen Treffen teilgenommen hat.

Präsidentensprecher Ari Fleischer gab auch zu, dass man mit dem kurzzeitigen Interimspräsidenten Venezuelas, Pedro Carmona, Kontakte gepflegt habe, dass man aber immer klar gemacht habe, dass ein Wechsel an der Staatsspitze mit demokratischen Mitteln erfolgen müsse. "Die USA sind gegen militärische Coups jeder Art, das ist in Stein gemeißelt".

Gegen die amerikanische Administration wird aber vor allem ins Treffen geführt, dass sie nach der kurzfristigen Absetzung von Chavez am Freitag der Vorwoche in ersten Kommentaren zu verstehen gegeben haben, Chavez sei selbst schuld an seiner Entmachtung, während alle anderen westlichen Staaten von Anfang an den Putsch ohne Umschweife verurteilt haben. Erst nachdem Chavez in der Nacht zum Sonntag an die Macht zurückgekehrt war, gaben die USA ihre Zustimmung zu einer Resolution der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) gegen die "Veränderung der verfassungsmäßigen Regierung" in Venezuela. Zuvor hatte der US-Botschafter bei der OAS, Roger Noriega, vor der Versammlung der Organisation in Washington, die eine Verurteilung des Putsches beschließen wollte, noch gemeint, der Sturz von Chavez liege im Interesse aller und solle deshalb nicht verurteilt werden.

Fleischer, der um Schadensbegrenzung bemüht ist, meint jetzt, damals habe man noch nicht das ganze Ausmaß der Ereignisse in Venezuela gekannt, etwa dass Interimspräsident Carmona das Parlament, das Höchstgericht und andere Institutionen auflösen wollte.

Inzwischen wird auch immer deutlicher, warum der venezolanische Putsch nach nur 48 Stunden gescheitert ist und Hugo Chavez an die Macht zurückkehren konnte. Am Donnerstag der Vorwoche kam es danach am Sitz des Heereskommandos zu einem Treffen zwischen Gewerkschaften, Militär und Arbeitgeberverband, wo durchgesickert ist, dass die USA Carmona als Übergangspräsidenten bis zu Neuwahlen akzeptieren würden. Der Herausgeber der Zeitung "El Nuevo Pais" wurde beauftragt für eine Regierung auf breiter Basis zu sondieren.

Carmona hatte aber andere Absichten und als aus Militärkreisen die falsche Nachricht kam, Chavez habe auf sein Amt verzichtet, sei Carmona aufs ganze gegangen und habe versucht, Parlament und Gerichte auszuschalten, sowie gewählte Gouverneure und Bürgermeister abzusetzen. Gewerkschaften und gemäßigte Militärs, die ursprünglich auch für die Absetzung von Chavez gewesen sind, haben sich daraufhin von Carmona verraten gefühlt und sind abgesprungen. Der venezolanische Historiker Jorge Olavarria, ein entschiedener Chavez-Gegner bezeichnet das Vorgehen vom Carmona als eines der groteskesten Ereignisse in der Geschichte des Landes. Carmona habe mit dem Ehrgeiz und der Hypokrisie gehandelt, für die Fanatiker des Opus Dei berühmt sind.