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Regierung einigt sich auf Steuerreform

Von Clemens Neuhold

Politik

Freitag um 0:30 Uhr war es so weit.


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Wien. Die Regierung hat sich in der Nacht auf Freitag auf "die größte Steuerreform der Zweiten Republik", so Kanzler Werner Faymann (SPÖ), geeinigt. Vorangegangen war eine gut dreistündige letzte Verhandlungsrunde.

Details nannte die Regierungsspitze in dem kurzen Pressestatement um etwa 00:30 Uhr nicht. Die Parteispitzen verhandelten bis in die Nacht, doch die Eckpunkte standen schon am Donnerstag fest.

Mit dem Etiket der "größten Steuerreform" versah zuletzt Finanzminister Karl-Heinz Grasser im Jahr 2004/05 die Steuerreform unter Schwarz-Blau. Mit fast fünf Milliarden Euro ist die Entlastung der Arbeitnehmer mehr als doppelt so groß als unter Grasser. Andererseits werden Unternehmer – im Unterschied zu damals – nicht entlastet. Im Gegenteil: Jene, die es mit der Steuermoral nicht so ernst nahmen, sollen über Registrierkassen und stärkere Kontrollen auf Baustellen bis zu zwei Milliarden Euro zur Finanzierung der Steuerreform beitragen. Alleine eine Milliarde Euro soll eine Registrierkassenpflicht für kleinere Betriebe wie Wirte oder Imbissbuden bringen.

Steuerreform mit Selbstbehalt

Auch die Konsumenten müssen sich einen kleineren Teil ihrer Entlastung bei den Lohnsteuern selbst zahlen – in Form erhöhter Mehrwertsteuertarife bei Blumen, Theaterkarten, Kino oder Taxifahrten. Eine Art Selbstbehalt für die (steuerliche) Entschlackungskur also. Die höhere Mehrwertsteuer soll dem Finanzminister rund 500 Millionen Euro bringen. Welche Produkte teurer werden, das war bis spät in die Nacht noch umstritten. Denn hinter jedem ermäßigten Mehrwertsteuersatz steht eine Lobby, die dagegen protestiert.

Solche steuerlichen Maßnahmen zur Gegenfinanzierung brachten die Steuerreform in der Entstehungsphase in die Kritik und verlagerten den Fokus von der Steuerentlastung auf die Steuerbelastung, was die Vorfreude dämpfte. Belastet werden auch Bürger, die an Unternehmen beteiligt sind – seien es GmbH oder Aktiengesellschaften: Für Dividenden steigt die Kapitalertragssteuer von 25 auf 27,5 Prozent.

Zurück zur "GröStaZ" (größte Steuerreform aller Zeiten): Auch unter Grasser stiegen Verbrauchssteuern um 200 Millionen Euro. Außerdem halfen ihm die Goldreserven der Oesterreichischen Nationalbank, um den Staatshaushalt in Balance zu halten. Und ein Teil der Steuersenkung erhöhte die Staatsschulden.
Die aktuelle Regierung musste eine Steuerreform auf Pump vermeiden. Denn Brüssel will 2016 ein Nulldefizit sehen. Deswegen musste die Regierung danach trachten, die Lohnsteuerentlastung zur Gänze gegenzufinanzieren. Neben Steuerbetrug, Mehrwertsteuer, Dividenden-KESt soll die immer gern versprochene "Verwaltungsreform" eine Milliarde bringen. Zu 800 Millionen Euro soll sich die Reform außerdem selbst finanzieren. Das heißt, die Regierung setzt darauf, dass die Bürger mehr ausgeben, wenn sie weniger Steuern zahlen. Und das soll neue Steuereinnahmen (Mehrwertsteuer, Lohnsteuer, Unternehmenssteuer) bringen.
Ökonomen zweifeln aber nicht nur am Konjunktur-Turbo durch die Reform, sondern auch am Nulldefizit. Das sei aus heutiger Sicht "nicht erreichbar".

"Gerechtigkeit" rückte in den Hintergrund

Spannend war die Genesis der Reform. Seit 2013 warb die SPÖ unter dem Slogan "Gerechtigkeit" für eine Vermögens- und Erbschaftssteuer, um die Schere zwischen Arm und Reich zu schließen. Die Reichen sollten den Arbeitnehmer das größere "Netto vom Brutto" bezahlen. Je stärker die SPÖ mit ihren Vermögenssteuern bei der ÖVP auf Granit biss, desto mehr rückten die Reichensteuern in den Hintergrund und die Entlastung der Arbeitnehmer in den Vordergrund. Die Gewerkschaft hatte im Herbst 2014 bereits mehr als 800.000 Stimmen für eine Entlastung gesammelt und brachte SPÖ-Chef Werner Faymann dazu, ihr Reformkonzept 1:1 zu übernehmen.
Von den SPÖ-Vermögenssteuern in der Höhe von zwei Milliarden Euro blieben nur noch 500 Millionen Euro an höheren Immobilien- und Börsensteuern übrig, die teils auch den Mittelstand treffen. Ob das allen SPÖlern genügt, wird sich beim Parteivorstand, Freitag Mittag, zeigen.

Mit der Gewerkschaft und den roten Länderchefs im Rücken droht SPÖ-Chef Faymann aber kein Ungemach. Denn bereits am Donnerstag frohlockte ÖGB-Boss Erich Foglar über die "deutliche Entlastung für die Menschen".