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Regierung feiert Ende der dürren Jahre mit Vorsicht

Von Reinhard Göweil

Wirtschaft

Finanzministerin Maria Fekter warnt vor "Wünsch-Dir-Was-Politik". |Zusätzliche Steuereinahmen zum Schuldenabbau verwenden.
| Wirtschaftsleistung überschreitet 300 Milliarden Euro.


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Wien. Staaten wie Griechenland oder Irland können davon nur träumen: Die heimische Wirtschaft floriert, die Steuereinnahmen sprudeln. Und zwar so sehr, dass schon heuer die EU-Defizitgrenze von drei Prozent wieder unterschritten wird. Die Chancen dafür stehen mehr als gut, war am Rande der Präsentation des Wirtschaftsberichtes der Regierung zu erfahren.

"Der Budgetvollzug läuft bisher deutlich über den Erwartungen, wir werden sehr viel besser als die bisherige Planung abschließen", gibt man sich im Umfeld von Finanzministerin Maria Fekter optimistisch. Offiziell sagen wollte das der "Wiener Zeitung" niemand, denn in der Regierung wird befürchtet, dass so optimistische Aussagen den Sparwillen im Land erlahmen lassen. Offiziell wird weiterhin von 3,9 Prozent Defizit gesprochen, das Wirtschaftsforschungsinstitut erwartete zuletzt 3,1 Prozent.

Fekter bei der Präsentation des Wirtschaftsberichts: "Wir sind noch lange nicht bei der Wünsch-dir-was-Politik angelangt. Ich könnte täglich Gutes tun, bei all den Vorhaben, die an mich herangetragen werden." Was die Ministerin nicht sagte: Im Mai gab es sogar einen satten Budgetüberschuss. Im allgemeinen Haushalt liegen die Steuereinnahmen in den ersten fünf Monaten um mehr als zwei Milliarden Euro über dem Vorjahr, im Gesamthaushalt bei fast zehn Milliarden. In den internen Planungen geht das Ministerium bereits vom Zweier vor dem Komma aus.

Damit wird Österreich – neben Deutschland – bereits heuer wieder die sogenannten Maastricht-Kriterien beim Budgetdefizit erreichen, die in der EU gelten.

Und sollte die Konjunktur nicht abstürzen, dürften auch die im kommenden Jahr erwarteten 3,3 Prozent deutlich unterschritten werden. Die Exportwirtschaft boomt wieder Hauptgrund für die positive Entwicklung ist die gute Beschäftigungslage, die Ausgaben für Arbeitslosen-Unterstützung und auch der Pensionszuschuss liegen deutlich unter den Erwartungen. Und die Einnahmen liegen deutlich besser als erwartet, vor allem bei der Einkommens- und Umsatzsteuer. Denn die Exportwirtschaft boomt. "Das Export-Plus lag in den ersten vier Monaten bei 25 Prozent", verkündete Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner.

Bundeskanzler Werner Faymann: "Länder, die in der Krise offensiv vorgingen und nicht nur sparten, sondern mit Konjunkturpaketen gegensteuerten, kamen deutlich besser heraus. Dazu zählt sicher auch Österreich." Der Kanzler hielt einen flammenden Appell für Europa und die enge Zusammenarbeit. "Früher führten solche Krisen zu Kriegen, heute arbeiten wir in Europa eng zusammen." Er rief die Vertreter der Wirtschaft auch dazu auf, den sozialen Ausgleich weiterhin zu pflegen. "Europa ist – abseits aller unterschiedlichen Auffassungen – unsere gemeinsame Basis. Die gilt es zu stärken."

Auch Verkehrsministerin Doris Bures sprach sich für verstärkte Investitionen aus. "Wir werden in den kommenden fünf Jahren in Schiene und Straße 20 Milliarden Euro investieren. Das sind Investitionen in die Zukunft."

Aus dem Budget wird eine Bilanz
Und dies will die Regierung künftig auch in der Budgetpolitik darstellen. Mit dem im kommenden Jahr zu verhandelnden Budget 2013 wird es erstmals eine "kaufmännische Bilanz" geben. Derzeit hat in Europa nur das Nicht-EU-Land Schweiz eine solche Betrachtungsweise. "Es geht darum, dass den jeweiligen Ausgaben in den Ministerien Leistungsnachweise beigestellt werden, die auch ins Budgetgesetz einfließen. Das Parlament hat also die Möglichkeit, die jeweiligen Minister bei ihren Vorhaben stärker in die Pflicht zu nehmen, als dies zuvor der Fall war", ist aus dem Finanzministerium zu erfahren.

Die "alte Rechnung", die eine schlichte Einnahmen-Ausgaben-Rechnung darstellt, wird daneben noch beibehalten. Für heuer schaut dies so aus: Einnahmen von 62,4 Milliarden Euro stehen Ausgaben von 70,2 Milliarden gegenüber. Das Defizit macht danach 7,7 Milliarden Euro aus. (Schon 2010 blieben die Ausgaben um 3,5 Milliarden Euro unter dem Voranschlag.)

Wirtschaftsleistung erstmals 300 Milliarden
Wenn die Konjunktur nicht abstürzt, könnte sich das Defizit auf zirka vier Milliarden Euro reduzieren, also rund um 2,5 Prozent der Wirtschaftsleistung des Landes. Dieses sogenannte Bruttoinlandsprodukt wird vermutlich ebenfalls heuer endgültig die 300-Milliarden-Euro-Grenze knacken. In den Prognosen wäre dies kommendes Jahr der Fall.
Fekter warnt aber, die Hände in den Schoß zu legen: "Die Zinszahlungen des Bundes für die Staatsschuld liegen derzeit bei zehn Milliarden Euro. Das ist eine Last aus der Vergangenheit, die problematisch werden kann." Sie plädiert für weitere Reformen im Pensionssystem. Und im Gegensatz zu Deutschland gibt es in der österreichischen Regierung Konsens, dass es keine Steuersenkungen geben soll, sondern der Schuldenabbau forciert wird. Auch Finanzministerin Fekter spricht mittlerweile von einer "strukturellen Steuerreform", also einer Vereinfachung, aber ohne Senkung der Gesamteinnahmen.