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Expertin Helga Nowotny: "Grundlagenforschung an der Kippe".
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Wien. Klare Worte fand die ehemalige Präsidentin des Europäischen Forschungsrats (ERC), Helga Nowotny, am Donnerstagabend bei einer Podiumsdiskussion in Wien. In Österreich stehe die Forschungsförderung an der Kippe, die Finanzierung der Universitäten ebenso, erklärte sie. Wissenschafter hätten die Verantwortung, "aufzustehen und etwas zu tun, statt sich dem Fatalismus zu ergeben".
"Vielen hier an der Universität und in der Forschung Tätigen ist es wahrscheinlich nicht bewusst, wie sehr an der Kippe die Forschungsförderung in Österreich und die Finanzierung der Universitäten steht", warnte sie bei der vom Institut für Wissenschafts- und Technikforschung der Uni Wien und der European Science Foundation veranstalteten Diskussion. Es sei zwar in der Zeitung zu lesen, dass ein gewisser Minister dies und jenes sage, "aber der Finanzminister schweigt". Ohne dessen Zustimmung gäbe es jedoch kein ausreichendes Budget. In diesem Zusammenhang und den aktuell turbulenten Zeiten sei der in Österreich weitverbreitete Fatalismus die schlechtest mögliche Reaktion, betonte Nowotny, die das Wissenschaftsressort in EU-Forschungsfragen berät. Sie appellierte an die Eigenverantwortung der Forscher. Man habe sich zu sehr damit abgefunden, die Krise als Dauerzustand wahrzunehmen.
Österreichs Forscher hätten wahrlich Grund, Zusagen einzufordern. Von 2,76 auf 3,76 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in neun Jahren, lautet das Ziel der 2011 von der Bundesregierung beschlossenen Strategie für Forschung, Technologie und Innovation (FTI). Demnach will das Land seine Ausgaben bis 2020 deutlich anheben und zu einem "Innovation Leader" werden, der im internationalen Wettbewerb bestehen kann. Das offizielle Österreich fällt sich allerdings insofern selbst in den Rücken, als es den erforderlichen Budgetpfad seit Beginn nicht einhält. Weswegen das Land 2013 erst bei einer Forschungsquote 2,81 Prozent lag und nun in Innovationsrankings nicht mehr aufsteigt, sondern stets zurückfällt.
FTI-Strategie auf Eis
Top-Forschungsländer, wie die Schweiz oder Finnland, steigern ihre Wettbewerbsfähigkeit über die Grundlagenforschung. Etwa investiert die Schweiz ihre öffentliche Forschungsförderung zu zwei Dritteln in Grundlagen und zu einem Drittel in Anwendungen. In Österreich ist das nicht nur umgekehrt, sondern es fehlen sogar Jahres-Steigerungen von 400 Millionen Euro, um die in der Strategie verankerten zwei Prozent des BIP für Unis und Grundlagenforschung zu erreichen.
Die Budgetverhandlungen arbeiten mit 243 Millionen Euro für den Wissenschaftsfonds (FWF) 2014 bis 2016, was jährlich weniger ergibt, als der FWF 2012 an Förderungen vergab. Österreichs größte Agentur zur Förderung der Grundlagenwissenschaften kann der FTI-Strategie somit kaum Rechnung tragen und muss langfristige Förderungen auf Eis legen (die "Wiener Zeitung" berichtete).
Womöglich könnte auch die Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) Probleme bekommen. Für die Ausweitung von Stipendien und Doktorandenprogrammen, die Sicherung von Nachwuchsforscher-Arbeitsplätzen, den Aufbau neuer Karrieremodelle und Ausbau der Forschungsinfrastruktur würde er 13 Millionen Euro benötigen, betont ÖAW-Präsident Anton Zeilinger. Hinzu kämen 8 Millionen Euro für den Ausgleich struktureller Defizite, die sich daraus ergäben, dass das Basisbudget seit drei Jahren gleich geblieben sei. Zeilinger wünscht sich somit eine Erhöhung des (bereits vorhandenen) Basisbudgets 2014 von 75 Millionen um 21 Millionen Euro, womit ihm insgesamt heuer 96 Millionen zur Verfügung stünden. Für 2015 hält er eine weitere Budgeterhöhung um 10 Millionen Euro zielführend. Im Doppelbudget 2014/15 müssten somit 127 Millionen Euro der ÖAW zukommen.
Zieht man das Budget für den FWF von jenen 383 Millionen Euro ab, die Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner für die Forschung vorsieht, verbleiben zwar 140 Millionen Euro. Jedoch sollen aus diesem Betrag nicht nur die ÖAW, sondern auch das Institute of Science and Technology in Maria Gugging und angewandte Forschung des Wirtschaftsministeriums finanziert werden. Laut Wissenschaftsministerium könnten Dividenden aus verstaatlichten Betrieben Lücken stopfen. Für die Einhaltung der FTI-Ziele will jedoch niemand Verantwortung tragen. Denn eine zentrale Koordinationsstelle gibt es nicht.