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Wilders’ Rechtspopulisten kündigten parlamentarische Unterstützung auf.
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Den Haag. Die europäische Wirtschaftskrise hat ein neues Opfer gefordert. Am Montag reichte der liberale niederländische Regierungschef Mark Rutte nach einer morgendlichen Ministerratssitzung bei Königin Beatrix den Rücktritt seines Minderheitskabinetts ein. Am Wochenende waren die seit März geführten Verhandlungen der Regierung mit der rechtspopulistischen Partei für die Freiheit (PVV) von Geert Wilders gescheitert. Wilders hatte die von Rutte geplanten Budgetkürzungen, welche die Einhaltung desEU-Stabilitätspaktes sichern sollten, entschieden abgelehnt.
Nach dem Scheitern der Regierung sehen Analysten die Top-Bewertung der Niederlande bei der Kreditwürdigkeit in Gefahr, weil das angestrebte Ziel eines Haushaltsdefizits von drei Prozent im kommenden Jahr verfehlt werden dürfte. Die Rating-Agentur Fitch hat bereits mit einer Herabstufung gedroht, falls das Land die geplanten Sparmaßnahmen nicht durchsetzen kann.
Rutte, der erste liberale Regierungschef der Niederlande seit 1918, war seit dem 14. Oktober 2010 einem Minderheitskabinett seiner liberalen Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD) mit den Christdemokraten (CDA) vorgestanden, das nur über 52 der insgesamt 150 Parlamentssitze verfügte. Geduldet wurde diese Regierung von den Rechtspopulisten der Wilders-Partei PVV, mit deren 24 Mandaten die knappestmögliche Mehrheit von 76 Stimmen zustande kam, die kürzlich nach dem Austritt eines PVV-Abgeordneten aus seiner Partei zur täglichen Zitterpartie wurde. Allerdings hatte der im Streit mit Wilders aus der PVV ausgeschiedene Abgeordnete die weitere Unterstützung der Regierung Rutte angekündigt.
Mit nur 558 Tagen Regierungsdauer zählt Ruttes Kabinett zu den kurzlebigsten in der niederländischen Nachkriegsgeschichte. Nur drei der insgesamt 27 Regierungen seit 1945 waren noch kürzer im Amt und die niederländischen Medien üben sich schon in Zahlenspielen, weil auch diese Kabinette jeweils in einem Jahr mit einer Zwei am Ende (1972, 1982 und 2002) vorzeitig zurückgetreten sind.
<br style="font-weight: bold;" /> Neuwahlen vor Sommer?
Wenn Rutte keine neuen Partner für seine Regierung findet - was nach dem derzeitigen Stand der Dinge als äußerst unwahrscheinlich gilt -, können frühestens in 83 Tagen Neuwahlen stattfinden. Nach der Auflösung des Parlaments müssen die Parteien binnen 40 Tagen ihre Kandidatenlisten vorlegen. Danach gilt bis zum Wahltag noch einmal eine Frist von 43 Tagen. Nach den letzten Umfragen könnte Ruttes VVD bei Neuwahlen zu ihren bisherigen 31 Mandaten zwei weitere Sitze dazugewinnen und damit stärkste Fraktion im Parlament bleiben, knapp vor der sozialdemokratischen Partei der Arbeit (PvdA), die ebenfalls zulegen und ihre bisherigen 30 Sitze behaupten könnte. Verluste werden Ruttes bisherigem Koalitionspartner, der christdemokratischen CDA und der Wilders-Partei prognostiziert. Auch die Linksgrünen, die vor zwei Jahren von sieben auf zehn Mandate zulegen konnten, zählen derzeit laut Meinungsumfragen zu den Verlierern.