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Regierung im Alarmzustand

Von Martyna Czarnowska

Politik

Die Niederlage des amtierenden Staatspräsidenten sollte die Partei der Premierministerin aufrütteln.


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Warschau. Die Wahl ist geschlagen, der Wahlkampf hat wieder begonnen. Nach dem Votum über den künftigen Staatspräsidenten Polens bereiten sich die Parteien auf die Parlamentswahl im Herbst vor. Nur wenige Monate Zeit bleiben daher der regierenden PO (Bürgerplattform), um die Fehler zu analysieren, die zu der Niederlage des von ihr unterstützten Amtsinhabers Bronislaw Komorowski geführt haben. Laut ersten Auszählungen lag der 62-Jährige nach der Stichwahl rund sieben Prozentpunkte hinter seinem knapp 20 Jahre jüngeren Herausforderer Andrzej Duda.

Während der eine seinen Misserfolg eingestand, versprach der andere schon, ein Präsident für alle Polen zu sein. Doch die Risse, die das bereits ein Jahrzehnt währende Zweierringen zwischen den größten Fraktionen PO und PiS (Recht und Gerechtigkeit) in der Gesellschaft hinterlassen hat, wird der Jurist und bisherige EU-Parlamentarier nicht so leicht kitten können. Vor allem weil die Polarisierung von den Gruppierungen auch für ihre Zwecke genutzt wird -nicht zuletzt zur Mobilisierung ihrer Anhänger. Wie sich diese aufteilen, zeigte sich einmal mehr beim Urnengang am Sonntag: Den Wählern aus ärmeren, weniger gebildeten Schichten und bäuerlichen Gegenden, die auf den konservativen PiS-Vorsitzenden Jaroslaw Kaczynski und seine Partei setzen, stehen PO-Sympathisanten gegenüber, die zum großen Teil in Städten wohnen und sich von der wirtschaftsliberaleren Bürgerplattform mehr Perspektiven erhoffen.

Doch gleichzeitig schaffte es Duda besser, die Stimmen jener Protestwähler zu gewinnen, die beim ersten Durchgang vor zwei Wochen für den ehemaligen Rockmusiker Pawel Kukiz votiert haben. Und dessen Elektorat bestand immerhin fast zur Hälfte aus Menschen, die jünger als 30 Jahre alt waren. Auch das sollte die regierende PO aufrütteln und sie dazu bringen, in der Kampagne die Fehler zu vermeiden, die sich Komorowskis Team hat vorwerfen lassen müssen: allzu selbstbewusst vom Sieg des eigenen Kandidaten ausgegangen zu sein und den Gegner unterschätzt zu haben.

Wer wird Koalitionspartner?

PiS wiederum hat durch Dudas Erfolg einen Auftrieb erhalten, der durchaus dazu führen könnte, dass die nationalkonservative Fraktion als stimmenstärkste Partei aus der Parlamentswahl hervorgeht. Bei der Suche nach einem Koalitionspartner würden sich allerdings Schwierigkeiten ergeben. Zwar hat auch die PO ihren Ursprung in der Gewerkschaftsbewegung Solidarnosc, ist ebenfalls eher dem rechten politischen Spektrum zuzurechnen und hat es vor Jahren Gespräche über eine Zusammenarbeit gegeben. Doch haben sich die Gruppierungen im Laufe der Zeit stark auseinander entwickelt. In wirtschafts-, aber auch manchen gesellschaftspolitischen Fragen ist die Bürgerplattform mehr ins Zentrum gerückt. Ob Kukiz wiederum mit einer möglichen neuen Partei im Herbst genügend Unterstützung bekommt, um potenzieller Regierungspartner zu werden, ist völlig offen.

Für die PO könnte die Regierungsarbeit jedenfalls mühsamer werden, wenn Duda am 6. August als neuer Präsident vereidigt wird. Das Staatsoberhaupt kann nämlich Gesetzesvorhaben blockieren und hat im verteidigungspolitischen Bereich ein gewisses Mitspracherecht. Der verheiratete Vater einer Tochter hat in seiner Kampagne aber auch Versprechen gegeben, deren Erfüllung nicht in seine Kompetenz fallen: die Anhebung von Sozialleistungen oder eine Rücknahme der Pensionsreform. Aus seiner Ablehnung eines Beitritts Polens zur Eurozone macht der Ex-Mitarbeiter des damaligen Präsidenten Lech Kaczynski kein Hehl, ebenso wenig aus seiner Zurückweisung der künstlichen Befruchtung, die im polnischen Parlament ein umstrittenes Thema ist.

Auf europapolitischer Ebene könnte es ebenfalls verstärkt zu Meinungsdifferenzen kommen, auch wenn bei EU-Gipfeln Premierministerin Ewa Kopacz das Land vertritt. Doch hat Duda schon gefordert, bei Gesprächen innerhalb der Union die Interessen Polens mehr in den Vordergrund zu rücken. Das betrifft unter anderem Sicherheitsaspekte rund um den Konflikt um die benachbarte Ukraine. Die Nato-Partner sollten Polen besser schützen, findet der Politiker. Eine Stationierung von US-Truppen im Land wäre ihm daher sehr recht.