Berlin - Wenn George W. Bush am Freitag seinen mexikanischen Kollegen Vicente Fox auf dessen Ranch in San Cristobal besucht, dann geht es um mehr als die Erneuerung einer Männerfreundschaft. Dass der neue US-Präsident auf seiner ersten Auslandsreise nach Mexiko fährt, interpretieren ein gutes Dutzend lateinamerikanischer Staaten als Hinweis auf eine neue Ausrichtung der US-Politik in der Region.
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Traditionell behandeln die USA die südliche Hälfte des Kontinents als ihren "Hinterhof", in dem sie allein das Sagen haben. Der Einmarsch auf der Karibikinsel Grenada 1983 unter Präsident Ronald Reagan oder die Intervention in Panama 1989 unter Bushs Vater George waren typisch für diese Haltung. Auch das mangelnde Interesse von Bill Clinton an der Region steht in dieser Tradition. Der Demokrat war der erste US-Präsident der Nachkriegsgeschichte, der in seiner ersten Amtszeit keinen offiziellen Besuch in Lateinamerika machte. Immerhin führte er 1994 die USA in die Nordamerikanische Freihandelszone NAFTA mit Kanada und Mexiko.
Bush und Fox streben an, das wirtschaftliche Zusammenwachsen des gesamten Kontinents zu vertiefen. Sie sind nicht nur alte Bekannte aus einer Zeit, als sie noch Gouverneure statt Präsidenten waren. Beide sind zudem konservativ, neu an der Macht und regieren im Stil von Unternehmenschefs. "Wir tragen beide Cowboy-Stiefel", sagte der mexikanische Präsident in einem Zeitungsinterview. "Und außerdem mögen wir beide Menschen."
Neben Mexiko gilt das Hauptaugenmerk der US-Regierung zunächst wohl eher Kolumbien als den fragilen Demokratien in Peru, Ecuador und Venezuela. In dem Bürgerkriegsland stehen die USA durch ihr aktive Beteiligung an der Drogenbekämpfung so nah an einem militärischen Konflikt wie seit den 80er Jahren in Zentralamerika nicht mehr. Die Washingtoner Denkfabrik "Inter-American Dialogue" fordert deshalb die Abkehr von der bisherigen Politik. Sie spricht sich für ein Ende der einseitigen Schritte und die stärkere Einbindung internationaler Institutionen wie der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) in die Konfliktbewältigung aus. Kolumbiens Staatschef Andres Pastrana wird am 27. Februar zu Gesprächen mit US-Präsident Bush in Washington erwartet. Dabei soll es nach US-Angaben vor allem um Drogenbekämpfung und Initiativen für den Fridensprozess gehen.
Auf die Probe gestellt wird Bushs neue Lateinamerika-Politik in gut zwei Monaten. Vom dritten Amerika-Gipfel Ende April im kanadischen Quebec erhoffen sich die Staatschefs des Subkontinents erste Erfolge bei der Verwirklichung der amerikaweiten Freihandelszone (FTAA). Der Handelsblock von Alaska bis Feuerland wird seit Jahren diskutiert und soll bis 2005 den größten Handelsblock der Welt mit über 800 Millionen Verbrauchern schaffen. Die Schaffung der FTAA hatte Bush im Wahlkampf besonders herausgestrichen. Um seine Zusagen einzuhalten, braucht er vom Kongress freie Hand bei der Vereinbarung von Handelsverträgen. Viele konservative Republikaner befürchten jedoch, mit fallenden Handelsbarrieren würden auch Drogenhandel, Zuwanderung und Kriminalität Tür und Tor geöffnet.