Die Eisenbahner wollen durchhalten, die Regierung auch. Und der ÖBB-Vorstand drohte den Eisenbahnern gestern sogar mit Entlassungen. Der Chef der Eisenbahnergewerkschaft, Wilhelm Haberzettl, hat zwar angekündigt, dass die Wochenendpendler möglichst nicht betroffen sein werden, allerdings über weitere Streik- oder sonstige Maßnahmen nichts verraten. Unterdessen drängen die Sozialpartner Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl und ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch zu weiteren Verhandlungen. Allerdings zeigt sich Infrastrukturminister Hubert Gorbach nur sehr verhalten dazu bereit: Die Regierung sei nicht bereit, in den so genannten Kernpunkten der ÖBB-Reform einzulenken.
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Keine Bahn, kein ÖBB-Bus, kein Postbus - lückenlos wurde dem Streikaufruf der Eisenbahnergewerkschaft gefolgt. Wann die ÖBB ihre Dienste wieder aufnehmen, war gestern nicht klar. Haberzettl schloss eine Fortsetzung des Streiks auch über Freitag hinaus nicht aus: "Es besteht die Möglichkeit den Streik am Freitag zu beenden, es gibt aber auch die Möglichkeit den Streik am Freitag nicht zu beenden." Selbst wenn der Streik unterbrochen werde, gebe es "nach dem Wochenende noch einen Montag und nach dem Montag noch einen Dienstag". Einzig die Postbusse, die sich für einen Tag solidarisiert hatten, verkehren ab heute wieder.
Der ÖBB-Vorstand drohte den Streikenden in einem Schreiben mit Entlassung. Darüber hinaus bestehe "die Möglichkeit von Schadenersatzforderungen des Unternehmens gegen streikende Mitarbeiter".
Haberzettls Replik: "Das Unternehmen verstößt damit klar gegen die europäische Sozialcharta." Diese Drohungen des ÖBB-Vorstands seien "über Auftrag der politischen Führung des Infrastrukturministeriums erfolgt". Einer Schadenersatzklage durch das Unternehmen ÖBB blickt der Gewerkschafter gelassen entgegen. Er freue sich geradezu auf ein solches Verfahren, weil dabei auch "die Mitverantwortung des Vorstand an der derzeitigen Situation" zu Tage kommen würde, sagt Haberzettl.
Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl sprach sich grundsätzlich gegen Streiks aus und regte Verhandlungen an. Die Betroffenen sollten sich erneut zusammensetzen, um die anstehenden Diskussionen weiter zu führen. Leitl ist aber auch der Meinung, dass Dienstrechtsangelegenheiten nicht durch die Regierung, sondern durch die Sozialpartner gelöst werden sollten.
Die Gewerkschaft wäre zu den von Leitl angeregten Verhandlungen mit dem Vorstand über ein neues Dienstrecht bereit. "Der Vorstand muss aber das Pouvoir der Regierung dafür haben", so Haberzettl. Angedeutet wurde auch, dass ein Runder Tisch unter Leitung eines Vermittlers einberufen werden könnte. Bereits heute wird der Vorstand mit der Gewerkschaft zusammenkommen - aber nicht zur Bahn-Reform, sondern zu Gehaltsverhandlungen. Mit der Regierung gibt es derzeit nach wie vor keinen offiziellen Verhandlungstermin.
Bundeskanzler Wolfgang Schüssel machte im Nationalrat deutlich, dass die Regierung bei der Reform bleiben will: "Wir retten mit diesen Reformen die Bahn", meinte er und forderte die Gewerkschaft auf, "nicht der Bremsklotz" zu sein.
Gorbach schließt eine Privatisierung nicht aus
Infrastrukturminister Vizekanzler Hubert Gorbach schloss in der "Zeit im Bild 2" eine künftige Privatisierung etwa von Teilstrecken der ÖBB nicht aus. ,Die Gewerkschaft lädt er allerdings ein, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Schon zuvor hatte Gorbach im Parlament erklärt, "wenn man will, dass die Kernpunkte zurückgenommen werden, wird es schwer sein, dass man beieinander ist."
Auch von Verkehrsstaatssekretär Helmut Kukacka ist kein Kompromissangebot zu erwarten: "Jetzt ist es an der Gewerkschaft, einen Schritt zu machen." Außerdem lasse sich die Regierung nicht durch unverantwortliche Streikmaßnahmen erpressen.