Zum Hauptinhalt springen

Regierung ohne Zukunft

Von Wolfgang Libal

Politik

Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 20 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Zwei Monate nach den Parlamentswahlen hat Serbien endlich eine neue Regierung. An ihrer Spitze steht Vojislav Kostunica, Vorsitzender der national-konservativen "Serbischen Demokratischen Partei" und einstmals Nachfolger von Slobodan Milosevic Präsident der damals noch existierenden "Bundesrepublik Jugoslawien". Es ist eine Minderheitsregierung, die Kostunica dem Parlament vorstellte, abhängig von der Unterstützung der "Serbischen Sozialistischen Partei" (SPS), deren Vorsitzender formell noch immer Slobodan Milosevic ist, auch wenn ihm schon seit zwei Jahren vor dem Haager Kriegsverbrecher-Tribunal der Prozess gemacht wird. Aber nicht dies allein ist die Ursache dafür, dass Kostunicas Kabinett eine Regierung ohne Zukunft ist. Das hat mehrere Gründe.

In seinem Regierungsprogramm hat Kostunica seinem Land nach der Gewaltherrschaft Milosevics und der Unterbrechung der Reformpolitik durch die Ermordung seines Vorgängers Zoran Djindjic vor einem Jahr keinen neuen Weg gewiesen. Sein formelles Bekenntnis zu einem Weg nach Europa blieb matt, ebenso wie die Zusicherung, in einer gewissen Art doch mit dem Tribunal in den Haag kooperieren zu wollen. Statt dessen beharrte er in vielen Dingen auf ausgesprochen nationalistischen Positionen.

Priorität sollte für seine Regierung das Kosovo-Problem haben. Dabei ging er davon aus, dass die mehrheitlich von Albanern bewohnte und von der UNO verwaltete Provinz weiter unter der Souveränität Serbiens bleibe, und seine innere Ordnung auf der Basis ethnischer Kantone nach dem Vorbild der von Bosnien-Herzegowina erfolge. Ein Vorschlag, der nicht die geringste Aussicht hat, von der albanischen Führung in Pristina angenommen zu werden. Was das für Serbien äußerst wichtige Verhältnis zu dem Gerichtshof in Den Haag betrifft, ist es für Kostunica klar, dass weitere Auslieferungen von serbischen Politikern oder Militärs, die von dem Gerichtshof der Kriegsverbrechen beschuldigt werden, nicht in Frage kommen. Die ihn unterstützende SPS hat ja auch bereits angekündigt, dass sie widrigenfalls die Unterstützung der Regierung sofort aufkündigen würde. Kostunica will statt dessen, dass von Den Haag beschuldigte Personen in Serbien abgeurteilt werden und in Den Haag bereits verurteilte ihre Strafe in ihrer Heimat verbüßen dürfen. Da von Den Haag noch eine ganze Reihe von vermuteten Kriegsverbrechern verlangt werden, vor allem aber der ehemalige Befehlshaber der serbischen Truppen in Bosnien, General Ratko Mladic, von dem man annimmt, dass er sich in Serbien versteckt, wird es in dieser Sache noch beachtliche Reibereien mit dem Westen geben.

Besonders fragwürdig ist jedoch, dass von Kostunica und seiner Mannschaft nicht der geringste Anstoß zu einer Selbstprüfung des serbischen Volkes nach der noch von einer großen Mehrheit, und vor allem den Eliten, unterstützten nationalistischen Politik der Ära Milosevic ausgeht. Im Grunde genommen bleibt der neue serbische Regierungschef auf nationalistischen Positionen, und er lässt auch nicht erkennen, dass er es für notwendig hält, nach der Ermordung von Djindjic das politische Leben des Landes radikal zu reinigen.

Er verfolgt nach wie vor eine orthodox-bäuerliche Abschottung des Landes, unterfüttert von einem Misstrauen und einer Ablehnung des Westens und seiner Werte. Der Weg Serbiens in eine europäische Gemeinschaft wird also noch lang sein. Womöglich wird er erst von neuen politischen Generationen gegangen werden können.