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Regierung schleift die Härten ab

Von Walter Hämmerle

Politik

Verhandelt wurde zwischen den beiden Regierungsparteien ÖVP und FPÖ bis zuletzt. Dienstag früh passierte daher ein mit zahlreichen sozialen Abfederungsmaßnahmen adaptierter Gesetzentwurf den Ministerrat, nur um gleich anschließend auf verhärtete Fronten im Nationalrat zu treffen. Während ÖVP und FPÖ - mit Bundekanzler Wolfgang Schüssel und Vizekanzler Herbert Haupt an der Spitze - den Regierungsentwurf zur Pensionsreform als sozial und gerecht verteidigten, lehnen diesen SPÖ wie auch Grüne auch weiterhin ab.


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Für eine Pensionsreform zum jetzigen Zeitpunkt gebe es drei Alternativen, um das System langfristig zu sichern, argumentierte Schüssel nach dem Ministerrat: Man könne entweder die Beitragssätze um 53 Prozent erhöhen, die Pensionen um 45 Prozent kürzen oder das Pensionsantrittsalter um fast 11 Jahre hinaufsetzen. Für Schüssel wäre es daher verantwortungslos, jetzt nicht zu handeln.

Entsprechend ließ Schüssel im Plenum dann auch wenig später keinen Zweifel daran, dass er sich den im Raum stehenden Streiks der Gewerkschaft keinesfalls beugen will. Besonders stolz zeigte sich Schüssel darauf, dass einige Maßnahmen für die Familien hinzugekommen sind, wie etwa die Erhöhung der pensionsbegründenden Kindererziehungszeiten von 18 auf 24 Monate sowie Erleichterungen für Mütter bei der Ausweitung des Durchrechnungszeitraums. Im Gegensatz zu anderen Ländern werde es Österreich nach dieser Reform zu keiner weiteren Anhebung des Pensionsantrittsalter mehr kommen müssen, zeigte er sich überzeugt. Durch die Reform soll das Budget 2006 um rund 700 Mill. Euro entlastet werden.

Haupt: Giftzähne gezogen

Zufrieden mit den Änderungen am ursprünglichen Entwurf zeigte sich auch Vizekanzler Haupt. Der FPÖ-Chef erhielt erst in der Nacht auf Dienstag vom Parteivorstand nach sechsstündiger Sitzung grünes Licht für den Beschluss im Ministerrat. Haupt sprach von erheblichen Verbesserungen und dass nun die vielzitierten "Giftzähne" gezogen seien. An die Sozialpartner appellierte er, sich nun in die parlamentarische Diskussion einzubringen.

Sowohl Schüssel wie auch Haupt legten ein Bekenntnis zu einer raschen Harmonisierung der Pensionssysteme und der Änderung der Politikerpensionen ab.

Trotz den nun beschlossenen Abfederungsmaßnahmen blieben jedoch sowohl SPÖ wie auch Grüne bei ihrem strikten nein zur Pensionsreform.

Opposition bleibt beim Nein

So kann SP-Chef Alfred Gusenbauer noch immer "keinen großen Wurf" erkennen: Es gebe zwar eine Reihe von Anpassungen, an der Grundstruktur des Entwurfes habe sich aber nichts geändert. Die Harmonisierung der verschiedenen Systeme liege weiter nicht vor, die "Ungerechtigkeiten" seien nicht beseitigt worden und an den "niedrigen Frauenpensionen" habe sich auch nichts geändert, erklärte Gusenbauer und sprach von einer "homöopathischen Dosis für ein großes Problem". Auch für Rudolf Nürnberger, Chef der Metaller-Gewerkschaft, hat sich "an der Substanz nichts verändert." Der Regierung warf er vor, das Umlageprinzip auszuhöhlen.

Ebenso sieht der Grüne Bundessprecher Alexander Van der Bellen sieht weiter "überfallsartige Kürzungen". Es gebe aber weder aus fiskalischen noch aus anderen Gründen eine Notwendigkeit für die "unverhältnismäßigen Kürzungen". Ob die Reform 2004 oder 2005 beschlossen werde, sei im Prinzip egal. Das große Problem beginne erst zwischen 2015 und 2020. Anstoß nahmen SPÖ und Grüne auch am zeitlichen Zusammenfall der Beschlüsse zu Pensionsreform und Abfangjäger.

VP-Klubchef Wilhelm Molterer warf der SPÖ vor, in bestehende Pensionen eingreifen zu wollen. Dies stelle eine Belastung für jene dar, die sich freiwillig weiterversichert hätten und sei eine Untergrabung der zweiten und dritten Säule. Wie FP-Klubobmann Herbert Scheibner rief er Opposition und Gewerkschaft auf, an der Harmonisierung der Systeme im Parlament mitzuarbeiten.

Marin: Kritik hat gefruchtet

Der Sozialexperte Bernd Marin begrüßte die vom Ministerrat beschlossene Pensionsreform. Im Radio-"Mittagsjournal" zeigte er sich "positiv überrascht über das Ausmaß der Abmilderungen" im Vergleich zum Begutachtungsentwurf. Weit über 30 Prozent der ursprünglich geplanten Einsparungen würden nun nicht mehr lukriert. Die Kritik habe offenbar "mehr als gefruchtet". Die Abmilderungen seien sehr viel großzügiger als von vielen Experten gefordert.

Noch nicht zufrieden zeigte sich dagegen Kärntens Landeshauptmann Jörg Haider, der gegenüber der APA meinte, es reiche derzeit noch nicht zu einer Mehrheit für die Koalition im Nationalrat.