Wegen der Korruptionsjäger zeigen sich zwischen ÖVP und Grünen erste Meinungsverschiedenheiten.
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Es sind erste Differenzen, die sich zwischen der ÖVP und den Grünen in der Debatte um die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) zeigen. Nachdem Bundeskanzler Sebastian Kurz mit seiner Kritik an der Ermittlungsbehörde für Empörung in der Justiz gesorgt hatte, schlug er am Donnerstag einen runden Tisch zu der Causa vor. Kurz will dabei die "Defizite und Verbesserungspotenziale" in der WKStA thematisieren. Eingeladen wurden die Standesvertreter, Justizministerin Alma Zadic (Grüne) und Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP). Edtstadler war früher Richterin, sie ist nun aber für Europafragen zuständig.
Zadic stimmte einer allgemeinen Aussprache mit der Standesvertretung der Staatsanwälte zwar zu, nicht aber dem von Kurz geforderten runden Tisch zu der Causa. Auch thematisch will Zadic bei dem Treffen andere Schwerpunkte setzen: Sie sei "naturgemäß mehr als bereit, in ausführlichen Gesprächen mit dem Bundeskanzler" über die bessere finanzielle Ausstattung der Justiz zu beraten, erklärte sie in einer schriftlichen Stellungnahme. Sie habe "vollstes Vertrauen", dass bei der WKStA "objektive und unabhängige Arbeit" geleistet werde, betonte sie.
"Habe ich so nicht formuliert"
Kurz hatte am 20. Jänner ein vertrauliches Hintergrundgespräch mit Journalisten geführt. Dort hatte er die WKStA für ihre Ermittlungen rund um die Causa Casinos attackiert. In der Behörde gebe es ein Netzwerk roter Staatsanwälte, das einseitig gegen die ÖVP arbeite, soll Kurz sinngemäß gesagt haben. Der "Falter" machte die kolportierten Aussagen unter Berufung auf Journalisten, die bei dem Hintergrundgespräch anwesend waren, öffentlich.
Opposition und Standesvertreter der Staatsanwälte und Richter waren empört. Im Zuge der Aufregung erklärte Kurz, dass er die Aussagen "so nicht formuliert habe". Der Bundeskanzler meinte: "Wir haben auch eine gut funktionierende Justiz in Summe, aber ich glaube, dass es durchaus legitim sein muss, gewisse Prozesse zu hinterfragen."
Ein Sprecher der WKStA betonte, dass sich die Behörde keiner sachlichen Kritik entziehe: "Wir verwehren uns jedoch gegen unsubstantiierte, öffentliche Spekulationen, die den Vorwurf der Verletzung des Amtsgeheimnisses und den Anschein parteipolitischen Handelns (. . .) in den Raum stellen, und weisen diese entschieden zurück."
Schon von Gesetzes wegen sei die WKStA zur Objektivität und Wahrheitsforschung verpflichtet, hieß es von der Behörde. So sei insbesondere auch die Leiterin der WKStA, Ilse Vrabl-Sanda, kein Mitglied einer Partei und pflege auch kein Naheverhältnis zu einer solchen.
Cornelia Koller, Präsidentin der Vereinigung der Staatsanwälte, erwartet sich von der angekündigten Unterredung "Klarheit über das Gesagte und Maßnahmen zur Förderung des Vertrauens in die Justiz".
Der von Kurz geforderte runde Tisch sei "die Flucht nach vorne eines Ertappten. Kurz versucht, aus der Not eine Tugend zu machen", sagte FPÖ-Klubchef Herbert Kickl. In Wahrheit sei das aber der nächste Versuch, die WKStA an die Kandare zu nehmen, und lasse befürchten, "dass die ÖVP nach der berüchtigten ‚Message Control‘ jetzt auch eine ‚Justice Control‘ einführen will."
"Kurz will Justiz unter seine Kontrolle bringen"
Selma Yildirim, Justizsprecherin der SPÖ, forderte von Kurz eine Entschuldigung für seine Kritik an der Behörde: "Das ist der Bundeskanzler den Österreichern schuldig." Denn Kurz mische sich ungerechtfertigt in Justizangelegenheiten ein.
Dass es ein Netzwerk roter Staatsanwälte gebe, sei eine "Verschwörungstheorie", so Yildirim. Um die Ermittlungsbehörden zu stärken, müsse endlich das Amt eines unabhängigen Bundesstaatsanwaltes geschaffen werden. Dieser soll statt dem Justizministerium für Weisungen an die Staatsanwaltschaft zuständig sein, so die SPÖ-Politikerin.
Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger hält den runden Tisch für "absurd": "Jetzt zieht Kurz die Justizagenden an sich und düpiert die Justizministerin. Die Justiz braucht keine Kanzlerkontrolle, sondern eine Stärkung ihrer Unabhängigkeit und vor allem mehr Ressourcen", sagte Meinl-Reisinger. Bundeskanzler Kurz habe jedoch im Sinn, die Justiz unter seine Kontrolle bringen.
Die Kritik der Neos und SPÖ sei unbegründet, sagte Wolfgang Gerstl, ÖVP-Verfassungssprecher. Die Opposition ignoriere den guten Weg der Gesprächsbereitschaft in Österreich.