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Regierung unter Strom

Von WZ-Korrespondent André Anwar

Politik
© Xxxx

Finnland hat dem Bau eines neuen Atomkraftwerks durch den russischen Konzern Rosatom zugestimmt. Die Entscheidung ist angesichts der Ukraine-Krise hochbrisant.


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Stockholm. Der staatliche russische Konzern Rosatom soll ein Atomkraftwerk in Finnland errichten - ungeachtet westlicher Sanktionen gegen Moskau. Das hat die Fünfparteienkoalition des bürgerlichen Ministerpräsidenten Alexander Stubb, zu der auch die Sozialdemokraten gehören, am Donnerstag beschlossen. Die Grünen verlassen die Regierung aus Protest. Stubbs Koalitionsregierung wird damit nur noch über eine hauchdünne Mehrheit im Parlament verfügen, 101 von 200 Sitzen innehaben. Bereits im Frühjahr schied die Linkspartei aus der Regierung aus. Von dem einstigen "Sixpack" sind somit nur mehr vier Partner übrig.

Rosatom soll sich mit 34 Prozent beteiligen und die Beteiligung der deutschen E.ON übernehmen, die 2013 ausgestiegen war. Experten gehen jedoch davon aus, dass wegen fehlender anderer Investoren - die Regierung bemühte sich verzweifelt, Kapital aus Finnland zu lukrieren - eine russische Beteiligung von 50 Prozent nötig wäre, um den Bau finanziell überhaupt realisierbar zu machen. Bereits vor der Genehmigung hatte der finnische Umweltminister und Vorsitzende der Grünen Ville Niinistö angedroht, seine Partei werde bei einer solchen Zusammenarbeit mit Moskau die Regierung verlassen.

Angst vor Abhängigkeitvon Russland

Niinistö sagte, dass die Vereinbarung mit Rosatom zu einer größeren Abhängigkeit Finnlands von Russland führen wird. Er warnte vor einer Rückkehr in die Zeiten des Kalten Krieges, als die Abhängigkeit von der Sowjetunion als "Finnlandisierung" bezeichnet worden war. "Das hier hat den Geschmack von Finnlandisierung. Wir geben den Russen genau das Druckmittel, was sie in Bezug auf den Westen und die EU haben möchten. Das versetzt uns in eine sehr verletzliche Position", warnte der Umweltminister in der "Financial Times". "Ehrlich gesagt ist es völlig verblüffend, dass der Rest der Koalition das in Ordnung findet", sagte er.

Der Streit um das Kraftwerk könnte den Ruf Finnlands in der EU weiter schädigen. Erst vor kurzem wurde Finnland von anderen EU-Nationen scharf kritisiert, weil es weitere EU-Sanktionen gegen Russland bremste.

Die Kritik der Grünen hat jedoch auch innenpolitische Gründe. Sie waren vor drei Jahren mit der Bedingung in die Regierung eingetreten, dass keine weiteren Atomkraftwerksbauten bewilligt werden. Ein Verbleib in der Regierung hätte einen Gesichtsverlust bedeutet - und den kann sich die Öko-Partei nicht leisten, denn bereits im April 2015 finden Parlamentswahlen statt.

Eigentlich wurde der Bau des strittigen Atomkraftwerkes schon 2010 beschlossen. Damals allerdings noch mit anderen Eigentümerverhältnissen. Die als sehr gemäßigt geltenden finnischen Grünen waren zwar schon damals dagegen, traten aber dennoch der Koalition bei und duldeten damit den Ausbau der Atomkraft indirekt. Finnland gilt als atomenergiefreundliches Land - es deckt ein Viertel seines Energiebedarfs mit Atomstrom -, weshalb auch die Grünen dem Ausstieg aus der Kernenergie nicht so viel Gewicht beimessen wie andere grüne Parteien in Europa. "Das hier ist für die Grünen nur eine Möglichkeit, um sich doch noch zu profilieren. Dass nun die Russen mit im Boot sitzen, ist nur ein Aufhänger. Das Gerede über Annäherungen an Moskau ist übertrieben", so ein finnischer Diplomat.

Schlechte Erfahrung mit westlichen Firmen

Ministerpräsident Alexander Stubb, der die Mitgliedschaft in der Nato befürwortet und erst im Juni seinen Vorgänger Jyrki Katainen als Regierungschef abgelöst hat, will sein Land grundsätzlich unabhängiger von Energieimporten machen. Er soll die Entscheidung zur Kooperation mit Russland auch getroffen haben, weil Finnland mit westlichen Kernkraftwerkskonstrukteuren schlechte Erfahrungen gemacht hat: Der Bau des Europäischen Druckwasserreaktors im Kernkraftwerk Olkiluoto 3 durch die französische Areva und die deutsche Siemens dauert immer länger und wird immer teurer. Statt 2009 wie ursprünglich geplant wird er frühestens 2017 ans Netz gehen, statt 3 Milliarden Euro kostet er mindestens 8,5 Milliarden Euro.