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Regierung zog bei Hypo Reißleine

Von Reinhard Göweil

Wirtschaft

Aufsicht gegen Insolvenz - Faymann: "Dieses Rotlicht überfährt man nicht."


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Wien. Die Hypo Alpe Adria wäre wegen des Bilanz-Desasters 2013 am Montag pleite gewesen, die Regierung zog am Freitag endgültig die Reißleine: Fürs Erste werden sämtliche Verbindlichkeiten der Bank vom Staat übernommen, eine Insolvenz wurde definitiv ausgeschlossen. Es war am Ende vor allem die Nationalbank, die davor warnte, die Bank unter Kuratel zu stellen. "Das hätte die Insolvenz bedeutet", ist aus der Notenbank zu hören. Fürs Erste wandern also 17,8 Milliarden Euro in die Staatsschuld, das heurige Budgetdefizit wird mit 3,6 Milliarden Euro, das sind 1,2 Prozent der Wirtschaftsleistung, belastet.

Finanzminister Michael Spindelegger entschloss sich zu diesem Schritt, weil die Finanzexperten davor gewarnt hatten, dass eine Insolvenz der seit Dezember 2009 verstaatlichten Hypo die Glaubwürdigkeit der Republik schwer erschüttert hätte. "Dieses Rotlicht überfährt man nicht", sagte Kanzler Werner Faymann.

Warnung aus Kroatien

Es ging dabei vor allem um die Landeshaftungen Kärntens, die derzeit bei 12,5 Milliarden Euro liegen. Die Hypo-Pleite hätte auch das Bundesland insolvent werden lassen, so die Experten. Zudem gab es deutliche Warnungen der Nationalbank in Kroatien, ist inoffiziell zu hören. Die Hypo Alpe Adria ist dort eine relativ große Bank. Sie habe gefordert, zusätzliches Geld in die Tochter einzuschießen.

Die Oppositionsparteien reagierten entsetzt auf die Entscheidung, da nun eine Beteiligung der privaten Gläubiger und der Bayerischen Landesbank überaus vage ist. "Maximaler Schaden für den Steuerzahler", schimpfte der grüne Finanzsprecher Werner Kogler. Eine "Nadelstreif-Solidarität der SPÖ" konstatierten die Neos. Und einen "Kniefall der ÖVP" vor den Banken.

Die Sozialpartner reagierten eher erleichtert. Die Industrie zeigte sich erleichtert, sie fürchtete die Verschlechterung von Finanzierungskonditionen für heimische Unternehmen, wenn die Hypo pleitegegangen wäre.

Auch ÖGB-Präsident Erich Foglar ist mit der Entscheidung einverstanden. "Die Bundesländer müssen sich an der Abwicklung der Hypo beteiligen, sie profitieren von der jetzigen Entscheidung." Im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" sagt Foglar, dass es sich bei den Anleihegläubigern der Hypo eben nicht um Spekulanten handle, sondern um Anleger, die Geld sicher anlegten. "Da geht es etwa um Pensionsfonds."

Foglar verlangt allerdings, dass die jetzt kommende Abbaugesellschaft für die Bank professionell vorgeht und die darin liegenden Sicherheiten ohne Rücksicht bestmöglich verwertet. "Die Hypo ist das größte Warenhaus Österreichs. Nun braucht es dort professionelle Verkäufer."

Länder müssen mitzahlen

Für die Beteiligung der Bundesländer an der Hypo-Abwicklung, die nach Schätzung der bundeseigenen Finanzprokuratur etwa zehn Milliarden Euro kostet, gibt es bereits Pläne. Finanzminister Spindelegger will ein gesetzlich verbindliches Spekulationsverbot für die Länder: "So etwas wie die Kärntner Landeshaftungen für die Hypo darf nie wieder passieren." Die Länder wehrten sich bisher dagegen.

Arbeiterkammer-Direktor Werner Muhm verlangt - wie auch die Regierung -, dass "die Länder auf ihren Anteil an der Bankenabgabe verzichten". Der macht inklusive Gemeinden 149 Millionen Euro jährlich aus. Dem erteilen die Landeshauptleute Günther Platter (Tirol) und Hans Niessl (Burgenland) nach der Hypo-Entscheidung erneut eine Absage. Platter betont auch, dass ihm dies "in Wien zugesichert worden" sei. Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll wiederum spricht von einem "mutigen Schritt Spindeleggers". Dieser habe "Leadership bewiesen".

Aus Regierungskreisen ist allerdings anderes zu vernehmen. Die Entscheidung, die Hypo zu retten, soll auch den Bundesländern einiges abverlangen. Sollten sie bei ihrer sturen Haltung bleiben, könnte etwa die Regierung öffentlich erklären, dass sie für weitere Landeshaftungen keine Garantie mehr übernehme. Dies ist verfassungsrechtlich auch nicht geregelt. Bundesländer würden daraufhin nicht weiter von der exzellenten Bonität der Republik profitieren, sondern müssten deutlich höhere Zinsen für ihre Schulden bezahlen. Das würde die 149 Millionen Euro übersteigen, meinen Finanzexperten. Und würde die Länder zum Einlenken bewegen.

Auch Kärnten soll seinen Beitrag leisten. Der Finanzminister und ÖVP-Obmann will den Kärntner Zukunftsfonds, der etwa 500 Millionen Euro beinhaltet, zur Hypo-Abwicklung heranziehen. Das Geld stammt aus dem Verkauf der Bank an die BayernLB. Die bezahlte 2007 allerdings 1,6 Milliarden Euro. 1,1 Milliarden Euro davon verbrauchte Kärnten noch unter Landeshauptmann Jörg Haider bis Herbst 2008.

Verbund-Beteiligung weg?

Kanzler Faymann betonte, dass "die Kärntnerinnen und Kärntner ein Teil unserer Heimat Österreich sind. Landsleute lässt man nicht im Stich. Sie haben die Probleme der Hypo nicht verursacht und daher dürfen sie auch nicht dafür büßen."

Der Satz schließt den Zukunftsfonds weitgehend aus. Denn Kärnten kämpft nicht nur mit dem Haider-Erbe, sondern auch mit hoher Arbeitslosigkeit und Abwanderung. Eine Möglichkeit wäre, dass der landeseigene Stromversorger Kelag die zehnprozentige Beteiligung an der Kraftwerksgesellschaft der Verbundgesellschaft dem Bund überträgt. Der Wert dieser Beteiligung liegt im dreistelligen Millionenbereich. Dem Vernehmen nach gibt es derartige Überlegungen in der Regierung. Peter Kaiser, seit März 2013 Kärntner Landeshauptmann, zeigt sich "unheimlich erleichtert", dass die Insolvenz vom Tisch ist. Er sagte Kanzler Faymann am Freitag grundsätzlich eine Beteiligung Kärntens an der Hypo-Abwicklung zu.

Als Erstes wird jetzt einmal am Montag die fällige Hypo-Anleihe in Höhe von 750 Millionen Euro bezahlt. Deswegen war die plötzliche Entscheidung ja notwendig geworden. Für die neue Abbaugesellschaft, die über keine explizite Bundeshaftung verfügt, ist aber ein Gesetz notwendig. Am Dienstag werden Kanzler und Vizekanzler in einer von SPÖ und ÖVP verlangten Sondersitzung den Nationalrat informieren. "Jetzt ist Krisen-Kommunikation angesagt", ist unisono von hohen SPÖ- und ÖVP-Funktionären zu hören, mit denen die "Wiener Zeitung" am Freitag sprach. "Wir müssen der Bevölkerung klarmachen, dass die Insolvenz der Bank größeren Schaden für das Land gebracht hätte", sagte einer.

Wütende Reaktionen

Leicht wird das nicht. Das Milliarden-Desaster und das mehrjährige Wegschauen führen nun zu etlichem Frust. Auf sozialen Plattformen wie Facebook und Twitter entlädt sich seit Freitag die Wut. "FPÖ/FPK/BZÖ haben das Desaster herbeigeführt, und die Regierung tut seit Jahren ihr Bestes, um sich selbst vorzuführen. Erschreckend", schrieb ein User.

Die Grünen mit Werner Kogler werden durch Österreich touren. Das Motto: "Anstaltslösung = Maximalschaden." Kogler und Neos-Finanzsprecher Rainer Hable hoffen, dass es für das notwendige Gesetz keine Mehrheit im Nationalrat gebe, weil es auch in SPÖ- und ÖVP-Reihen Abgeordnete gibt, die damit nicht einverstanden seien. Aus beiden Regierungsparteien ist zu hören, dass deren Abgeordnete vor dem Risiko einer Insolvenz-Lösung zurückschrecken und für das Gesetz stimmen würden. Sozialminister Rudolf Hundstorfer hofft, dass "die gesamtmediale Berichterstattung" zurückgefahren wird. "Es wäre naiv zu glauben, dass die Insolvenz der Bank die Steuerzahler nichts kostet."