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Regierungschef ohne Partei

Von Ines Scholz

Politik

Am Ende eines stürmisch verlaufenen Parteitages hat sich Israels Regierungschef Ariel Sharon für seinen angekündigten Abzug aus dem Gazastreifen eine weitere politische Ohrfeige eingehandelt. Erneut verweigerte die rechtsgerichtete Likud-Partei ihrem Ministerpräsidenten die Gefolgschaft, diesmal, indem sie sich gegen eine Koalition mit der Arbeiterpartei sperrte. Zwar will Sharon sein Programm ungeachtet des Delegiertenbeschlusses weiter verfolgen - israelische Beobachter rechnen jedoch mit baldigen Neuwahlen und eventuell sogar mit einer Spaltung der von Menachim Begin 1973 gegründeten Partei.


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Die Wahlschlappe war verheerend: 843 Delegierte - oder über 72 Prozent - votierten gegen einen Schulterschluss mit den Sozialdemokraten, nur 612 dafür. Obwohl die beiden schärfsten Sharon-Kritiker, Außenminister Silvan Shalom und Finanzminister Benjamin Netanyahu, auf dem von ihnen erzwungenen Sonderparteitag darauf verzichtet hatten, den Rechts-Außen-Flügel noch einmal anzuheuern, gelang es Sharon nicht, seine Parteigenossen hinter sich zu scharen. Trotz seiner leidenschaftlichen Rede. Besonders peinlich für Sharon: Er unterlag zugleich auch bei einer Parallelabstimmung über den von ihm eingebrachten Kompromissantrag, der ihn zumindest berechtigen sollte, mit allen "zionistischen Parteien" Koalitionsverhandlungen aufzunehmen. Vor dem Votum soll es turbulent zugegangen sein. Medien berichteten von wütenden Pfiffen und erhobenen Fäusten der Widersacher während Sharons Rede.

Dieser mimte gestern den Unbeirrbaren und ließ die Fortsetzung seiner Politik auch gegen den Willen der Parteirebellen ausrufen. Der Ministerpräsident werde die "Umsetzung seines Plans zum Rückzug aus dem Gazastreifen bis 2005 weiter verfolgen" und sich auch in seinen Bemühungen um eine neue Zusammensetzung seiner Regierungskoalition "über das Parteienvotum hinwegsetzen", verlautete aus seinem Büro. Sharon braucht die Stimmen der Arbeiterpartei zur Umsetzung seines umstrittenen Vorhabens dringend - nicht nur, weil die beiden ultrareligiösen Koalitionspartner im Mai aus Protest gegen den Gaza-Plan das Boot ver- und die Regierung ohne Parlamentsmehrheit zurückließen, sondern auch, weil Sharon bei den Abgeordneten des eigenen Lagers mit zahlreichen Nein-Stimmen rechnen muss.

Linke im Dilemma

Die Arbeiterpartei hat bisher bereits über ein Dutzend Misstrauensanträge gegen ihn verhindert. Doch geschah dies vor allem mit Blick auf die Option einer Regierungsbeteiligung; die Verhandlungen laufen seit Wochen. Da diese nun aufgrund der Scharfmacher im Likud in weite Ferne gerückt ist, wird der Ruf nach Neuwahlen in der größten Oppositionspartei lauter. Am Donnerstag forderten bereits mehrere Mitglieder entsprechende Schritte. Andere, wie etwa Ex-Verteidigungsminister Benjamin Ben-Eliezer, sind zudem für eine sofortige Aufkündigung der Verhandlungen mit Sharon. "Wir können nicht in einer Regierung sitzen, in der der Ministerpräsident eine lahme Ende ist"; vielmehr müsse man sich mit dem Likud auf Neuwahlen verständigen, meinte Ben-Eliezer, der bisher für die Partei die Koalitionsgespräche leitete. Vorsitzender Shimon Peres will die Partei in den kommenden Tagen jedenfalls über das weitere Vorgehen abstimmen lassen.

Auch Sharon ist nach der erfolgten Meuterei vorgezogenen Wahlen gegenüber nicht abgeneigt, zumindest will er diesen Eindruck bei seinen internen Rivalen erwecken. Sollten alle Bemühungen um eine Mehrheit im Parlament scheitern, gebe es durchaus noch auch diese Option, ließ er am Donnerstag durch einen Sprecher ausrichten. Als Zeitraum sind dafür die kommenden sechs Monate im Gespräch. "Maariv" zufolge könnte Sharon sich dann sogar mit einer neuen Partei präsentieren. Mit wem und gegen wen er dann möglicherweise antreten könnte, ist unklar. Am rechten Ende des Parteienspektrums kann er jedenfalls kaum auf mögliche Partner hoffen, so lange er am Abzug aus dem Gazastreifen festhält.

Sharons via Medien lancierte Variante einer neuen, eigenen Partei ist daher nicht allzu zu ernst zu nehmen. Sie ist vor allem ein taktischer Seitenhieb gegen seinen stärksten Parteirivalen, Finanzminister Netanyahu, der gebannt darauf lauert, den Regierungschef zu beerben - und der, wie das Abstimmungsergebnis gezeigt hat, durchaus auch exzellente Chancen hätte.