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Regierungskrise in Kanada verschärft sich

Von WZ Online

Politik

Premier Trudeau gerät nach einem weiteren Rücktritt wegen Vorwürfen der Einmischung in die Justiz unter Druck.


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Ottawa. Die Regierungskrise in Kanada um Vorwürfe einer Einmischung in die Justiz hat sich verschärft. Haushaltsministerin Jane Philpott erklärte am Montag wegen einer Korruptionsaffäre um den Baukonzern SNC-Lavalin ihren Rücktritt - und setzte Premierminister Justin Trudeau damit weiter unter Druck.

Sie habe ihr Vertrauen in die Regierung im Umgang mit dem Fall verloren, schrieb Philpott im Kurzbotschaftendienst Twitter. "Auf dem Spiel stehen die Unabhängigkeit und Integrität unseres Justizsystems." Philpott soll der früheren kanadischen Justizministerin und Generalstaatsanwältin Jody Wilson-Raybould nahe stehen, die die Affäre ins Rollen gebracht hatte.

Korruptionsermittlungen laufen

Gegen SNC-Lavalin laufen Korruptionsermittlungen. Der kanadische Baukonzern soll zwischen 2001 und 2011 während der Herrschaft des libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi Vertreter des nordafrikanischen Staates bestochen haben, um sich Aufträge zu sichern. 2015 wurde der Konzern wegen Korruption angeklagt, der Prozess hat aber noch nicht begonnen.

Im Februar sagte Wilson-Raybould vor einem Parlamentsausschuss aus, Trudeau und sein Umfeld hätten "unangemessenen" Druck auf sie ausgeübt, damit der Fall nicht vor Gericht komme. Es habe sogar unterschwellige "Drohungen" gegeben. Von September bis Dezember 2018 sei sie von Regierungsvertretern "verfolgt" worden, um die Staatsanwaltschaft von einer außergerichtlichen Einigung zu überzeugen.

Wilson-Raybould weigerte sich, Einfluss auf die Ermittlungen zu nehmen, wurde im Jänner an die Spitze des Veteranenministeriums versetzt und trat schließlich im Februar zurück. Wenige Tage später trat auch Trudeaus langjähriger Freund und Berater Gerry Butts zurück.

Philpott schrieb in ihrer Stellungnahme, sie habe lange über die Geschehnisse nachgedacht und sei nach "ernsthaften Überlegungen" zu dem Schluss gekommen, dass sie als Kabinettsmitglied zurücktreten müsse. "Leider habe ich das Vertrauen darin verloren, wie die Regierung mit diesem Thema umgegangen ist."

Trudeau weist Vorwürfe zurück

Trudeau hat die Vorwürfe zurückgewiesen. Die Opposition forderte in der vergangenen Woche seinen Rücktritt. Sie verlangt eine Untersuchung zur Überprüfung von Wilson-Rayboulds Angaben.

Trudeau sagte, er sei mit der Darstellung Wilson-Rayboulds keinesfalls einverstanden. Er und seine Mitarbeiter hätten sich zu Recht darum bemüht, bis zu 9.000 Arbeitsplätze in Kanada zu retten - darunter auch in seinem eigenen Wahlkreis in der Provinz Québéc. Er habe seiner früheren Generalstaatsanwältin gegenüber aber immer deutlich gemacht, dass der Umgang mit SNC-Lavalin "allein ihre" Entscheidung sei. (apa, afp)