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Zagreb - Der Rücktritt ist für den kroatischen Ministerpräsidenten Ivica Racan der Schleudersitz aus einer glücklosen Regierungskoalition. "Ich muss sagen, so konnten wir nicht weitermachen", sagt der sozialdemokratische Reformer am Freitag in einer Fernsehansprache, nachdem sich die Krise seiner Mitte-Links-Regierung im Streit mit dem nationalliberalen Juniorpartner Drazen Budisa und dessen Partei HSLS immer mehr verschärft hat.
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Racan, der nach einem Wahlsieg Anfang 2000 die nationalistische HDZ-Partei des früheren Präsidenten Franjo Tudjman von der Macht verdrängt hat, versucht den Befreiungsschlag. In der in Zagreb regierenden Fünf-Parteien-Koalition ist ihm die Partei Budisas bei der für die Bevölkerung schwierigen Umgestaltung der Wirtschaft und der Verwaltung nur noch Ballast gewesen. Denn während Racan dem Land auf dem Weg hin zur Europäischen Union eine schmerzhafte Reform der Wirtschaft, des Staates und des Sozialsystem verordnen will, machte Budisa aus der Regierung heraus Opposition. Begleitet von nationalistischen Nebentönen legte der Koalitionspartner den Finger in die Wunden, während im Wahlvolk Frustration über Arbeitslosigkeit und Parteienstreit wuchs.
Inzwischen sind in Kroaten etwa 24 Prozent der Erwerbsfähigen ohne festen Job, der höchste Wert seit dem Zweiten Weltkrieg. Die schleppende Privatisierung von Staatsbetrieben, Illiquidität der Unternehmen und eine Krise der Sozialversicherung fallen in eine Zeit, in der Racan das Land mit zügigen Veränderungen der Gesetzgebung auf eine Mitgliedschaft in der EU vorbereiten will.
Der Reformstau droht letztlich auch die ersten Erfolge der Regierung Racans, die vor allem auf dem internationalen Parkett erzielt wurden, zu beschädigen. So kritisierte NATO-Generalsekretär George Robertson bei einem Besuch Ende Juni, die Armee des Landes sei "politisiert" und müsse reformiert werden, sonst werde das Land niemals NATO-Mitglied.
"Ich will brutal offen sein, weil es sonst niemand macht. Kroatien hat noch viel zu tun, um die Kriterien für einen Beitritt zur NATO zu erfüllen", sagte Robertson in Zagreb. Er sagte aber auch, dass Kroatien bereits große Fortschritte gemacht habe. Robertson: "Das Land ist ein sehr verantwortlicher Faktor der Stabilität und der Sicherheit in diesem Teil der Welt."
Nach dem Rücktritt Racans sind die Weichen für die Bildung einer Regierung ohne die HSLS gestellt. Staatspräsident Stipe Mesic hat laut Verfassung 30 Tage Zeit, einen Ministerpräsidenten zu ernennen. Es gibt kaum Zweifel, dass Racan erneut antreten will. Der Ex-Kommunist, der 1944 im sächsischen Ebersbach als Sohn einer in einem Arbeitslager internierten Frau geboren wurde, hätte dann bis zu Neuwahlen 2004 Zeit, seine Reformen voranzubringen.