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Regierungskrise in Polen fortgesetzt

Von Martyna Czarnowska

Politik

Polen droht ein politisches Vakuum. Der designierte Ministerpräsident Marek Belka hat bei der Vertrauensabstimmung im Parlament nicht die notwendige Stimmenmehrheit erhalten. Nun ist der Sejm mit der Ernennung eines Kandidaten an der Reihe.


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Die Appelle des Staatspräsidenten Aleksander Kwasniewski nutzten wenig. Sein Favorit, der designierte Ministerpräsident Marek Belka, erhielt am Freitag von den Abgeordneten des Sejm, des polnischen Parlaments, nicht die notwendige Unterstützung. Belkas Chancen waren gering, konnte er doch nur auf die Stimmen des regierenden Bündnisses der Demokratischen Linken (SLD) und der kleinen Koalitionspartnerin Arbeitsunion (UP) zählen.

Nun ist das Parlament mit der Ernennung eines Kandidaten an der Reihe. In diesem Zusammenhang wird immer wieder Janusz Wojciechowski genannt, Vorsitzender der Bauernpartei PSL, die bis vor einem Jahr mit der SLD eine Regierungskoalition bildete. Schafft es der Sejm innerhalb von zwei Wochen nicht, eine neue Regierung zu beschließen, muss Staatspräsident Kwasniewski handeln. Er würde wohl wieder Belka vorschlagen. Dessen Aussichten auf Erfolg würden in einem zweiten Wahlgang steigen: Zur Bestätigung ist eine einfache Mehrheit notwendig. Sollte diese nicht erlangt werden, folgen Neuwahlen - spätestens am 8. August. In der Zwischenzeit würde Kwasniewski Belka damit betrauen, die Regierungsgeschäfte kommissarisch zu übernehmen und damit vielleicht vier Monate ohne Unterstützung des Sejm zu arbeiten.

Die Möglichkeit vorgezogener Neuwahlen gefällt allerdings etlichen Parteien wenig. Die SLD etwa müsste mit massiven Verlusten rechnen, Andrzej Leppers radikale Samoobrona (Selbstverteidigung) wiederum könnte Umfragen zu Folge 20 Prozent der Stimmen erhalten. Diese Befürchtung hegt auch die Wirtschaft. Auf Belkas drohendes Scheitern reagierten die Finanzmärkte schon im Vorfeld: Die Kurse der Staatsanleihen fielen kontinuierlich.