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Das Geschäftsimperium des reichsten Bürger Kroatiens, Ivica Todoric, soll unter Staatsaufsicht saniert werden. Im Fall einer Pleite von Agrokor sind auf dem Balkan hunderttausende Jobs gefährdet. Doch nun droht das Ende der Koalition den Rettungsplan zu verzögern.
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Zagreb/Wien. Bis vor kurzem galt Agrokor als Kroatiens Vorzeigeunternehmen. Der Privatkonzern mit Sitz in Zagreb hatte sich in drei Jahrzehnten vom kleinen Blumengeschäft zum führenden Lebensmittel-Einzelhandelsimperium auf dem Balkan entwickelt.
Doch Firmengründer Ivica Todoric, inzwischen Kroatiens reichster Bürger, hat sich mit seinem Expansionskurs übernommen. Vor allem die - ebenfalls kreditfinanzierte - Übernahme der slowenischen Lebensmittelkette Mercator 2013 und die starke Konkurrenz aus der EU brachte Agrokor ins Trudeln. Anfang März konnte der Konzern die Kredite nicht mehr bedienen, vor drei Wochen wurde Todorics Geschäftsimperium mit 60.000 Angestellten schließlich unter die Kontrolle des Staates gestellt, der Argokor nun sanieren soll. Dazu musste in dem EU-Land erst ein - rechtlich umstrittenes - Gesetz auf den Weg gebracht werden. Bisher wurden Interventionen dieser Art nur bei systemrelevanten Banken (too big to fail) durchgeführt. Die Schulden von Agrokor bei den staatlichen russischen Geldhäusern Sberbank und VTB beliefen sich zuletzt auf 1,3 Milliarden Euro - das entspricht einem Drittel der Schulden des Gesamtkonzerns. Zwar hätte Erstere kroatischen Medienberichten zufolge einen weiteren Kredit in Höhe von 300 Millionen Euro gewährt, dafür aber im Gegenzug die Kontrolle von Unternehmensanteilen durch russische Investoren zur Bedingung gemacht. Das wollte Zagreb vermeiden.
Nun droht eine Regierungskrise den Rettungsplan zu verzögern. Die Koalition aus der rechtskonservativen kroatischen HDZ und der Reformpartei Most steht kurz vor dem Aus. Anlass ist ein Streit um den für die Sanierung von Agrokor zuständigen Finanzminister Zdravko Maric. Der Parteilose geriet wegen seiner engen Verbindungen zum Konzern, für den er früher selbst in der Führungsebene gearbeitet hatte, unter Druck. Ihm wird vorgeworfen, Mitschuld an dessen finanziellem Desaster zu haben - die Ratingagentur Moody’s wies zudem auf "bestimmte undurchsichtige Bereiche" und "mangelnde Transparenz" in der Buchhaltung von Agrokor hin. Die Linksopposition beantragte einen Misstrauensantrag gegen den Minister, Most kündigte diesem daraufhin ebenfalls die Unterstützung auf. Seit Wochen wird ihm zudem vorgehalten, er habe 2010 von einer staatlichen Bank einen günstigen Privatkredit nur deswegen erhalten, weil er zu dieser Zeit im Aufsichtsgremium von Agrokor gesessen sei.
Regierungschef Andrej Plenkovic reagierte, indem er bei der Kabinettssitzung die Minister für Inneres, Justiz und Energie aus den Reihen von Most ihrer Posten enthob. Er werde nun ohne den Juniorpartner weiterregieren, kündigte der HDZ-Politiker am Donnerstag in Zagreb an. Er habe eine parlamentarische Mehrheit, versicherte er, ohne konkreter zu werden. Damit befeuerte Plenkovic Gerüchte, er habe bereits im Vorfeld heimliche Absprachen mit einer oder mehreren potenziellen neuen Partnern getroffen.
Eine längere Regierungskrise wäre für Agrokor jedenfalls fatal, der Sanierungsplan eilt. Zu Jahresbeginn hatte Moody’s Agrokor von "B2" auf "B3" mit stabilem Ausblick heruntergestuft. Die Schuldtitel von Agrokor verloren daraufhin stark an Wert.
Im Fall einer Pleite sind auf dem Balkan 60.000 Arbeitsplätze gefährdet - hinzu kommen hunderttausende Angestellte aus der Zulieferindustrie. Nicht nur für Kroatien und die gesamte südosteuropäische Wirtschaftsregion hätte das Scheitern eines Rettungsplans weitreichende Folgen - immerhin entsprachen die Einnahmen des Konzerns 2015 mit umgerechnet 6,5 Milliarden Euro fast 16 Prozent des kroatischen Bruttoinlandsprodukts. Auch bei heimischen Banken, darunter die Erste Group, Raiffeisen und Bank Austria, steht Agrokor mit geschätzten 300 Millionen Euro in der Kreide.