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Wenn am 19. April die erste Bundestagssitzung im Reichstag stattfinden soll und dieser am darauffolgenden Wochenende für die Berliner geöffnet wird, kann es passieren, daß Abgeordnete und Gäste in | Gummistiefeln durch Schlammtümpel waten müssen. Denn die Erschließung des Parlamentsviertels, mit Kosten von 1,134 Mrd. DM berechnet, ist gefährdet. Zwei Drittel dieser Summe sollten vom Bund | finanziert werden. Dieser will aber einen Teil des Betrages mit der Bereitstellung bundeseigener Grundstücke abgelten, bzw. vom Senat dafür eine Ausgleichszahlung kassieren.
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Im Gegenzug droht Berlin, die vorgesehenen Millionenaufträge für Straßenbau und Anlage von Grünflächen im Regierungsviertel nicht zu vergeben.
Das bedeutet, die 4,5 Mill. Mark teure S-Bahn-Parallele an der Spree, der Spreebogenpark im Wert von 32 Mill. Mark, die 2,2 Mill. Mark teure Nordfahrbahn, das 10 Millionen-Mark-Projekt am Kanzlerpark
und die Spreeuferallee würden nicht gebaut. Das könnte sogar den geplanten Regierungsumzug blockieren. Senator Kleemann (CDU) spricht von einem "tiefgreifenden Konflikt", der "sehr unangenehm für
viele" werden kann. Ultimativ fordert er bis zum 15. Februar eine Lösung des Streits, andernfalls drohe Baustopp als "Notwehrmaßnahme".
Betroffen von den überdimensionierten Bauvorhaben im künftigen Regierungsviertel sind aber auch die über eine Million Berliner Autofahrer. Der Zustand der hauptstädtischen Straßen hat sich nämlich
rapide verschlechtert und droht immer maroder zu werden. Auf dem 5.097 km langen Berliner Straßennetz warnen 800 Schilder vor gravierenden Schlaglöchern. Das sind 750 Warnungen mehr als vor zehn
Jahren. Senator Kleemann droht: "Die Straßen sind so marode, daß demnächst nichts anderes mehr übrig bleibt, als überall nur noch Tempo 30 zu erlauben". Die Verkehrsbetriebe überlegen schon, ob sie
Busse nicht mehr durch besonders ramponierte Straßen fahren lassen.
Der Hintergrund für die Misere: von den für die Investplanung bis 2004 geplanten Mitteln von 1,5 Mrd. Mark werden 50 Prozent allein für den regierungsnahen Tiergartentunnel benötigt. Der Straßenbau
allein im Regierungsviertel verschlingt fast 200 Mill. Mark.
Deshalb gehen die Mittel, die der Senat den Bezirken für den Straßenbau bereitstellt, von 79 Mill. Mark 1998 auf 44 Mill. im Jahr 2004 zurück. Und in diesem Jahr gibt's mit 53,7 Mill. Mark nur noch
knapp die Hälfte der Mittel von 1995. Den Berliner Tiefbauämtern fehlen in diesem Jahr knappe 100 Mill. Mark. Als ständiges Damoklesschwert kommt hinzu, daß der Senat in das bodenlose Finanzloch
täglich (!) 10 Mill. Mark für Kredit-Zinsen einzahlen muß.