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Regime im Jemen vor dem Zerfall

Von Gerhard Lechner

Politik

Saleh-Vertrauter läuft zu den Demonstranten über. | Offiziere quittieren Dienst. | Sanaa/Berlin/Wien. Sein 59. Geburtstag, der 21. März, war für Ali Abdullah Saleh kein guter Tag: Der jemenitische Präsident, der seit Jänner unter Dauerbeschuss von Regimekritikern steht, verliert jetzt auch international und bei seinen Generälen an Unterstützung. Als erster westlicher Spitzenpolitiker forderte Frankreichs Außenminister Alain Juppe am Montag Saleh zum Rücktritt auf.


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Und der für den Nordwesten des Landes verantwortliche General Ali Mohsen al-Ahmar - ein Halbbruder des Präsidenten, der bisher als eine der wichtigsten Stützen des Regimes galt - erklärte seine Solidarität mit der Opposition. Mit der Wendung, seine Pflicht bei der Sicherung der Hauptstadt erfüllen zu wollen, kündigte er ein Eingreifen zugunsten der Opposition an. Auch der Kommandant im Westen sowie Dutzende Offiziere von Armee und Polizei sollen ihren Dienst quittiert haben - ebenso wie mehrere Botschafter, der Chef der staatlichen Nachrichtenagentur und ein Gouverneur.

Die Opposition fordert den sofortigen Rücktritt des Langzeit-Staatschefs, der bereits seit 1978 in Sanaa amtiert. Damals war der Jemen noch in einen nördlichen und südlichen, kommunistisch regierten Teil gespalten. 1990 kam es zur Wiedervereinigung - und Saleh, Präsident des Nordjemen, trat auch im Süden die Regentschaft an.

Im Süden unpopulär

Wirklich populär wurde er dort aber nie: Viele Südjemeniten nehmen ihm übel, dass die Vereinigung zwischen Nord und Süd sich letztlich als "feindliche Übernahme durch Sanaa" herausstellte, wie es der deutsche Politologe Guido Steinberg ausdrückt. Den Bürgerkrieg 1994 entschied der Norden für sich, und Saleh installierte in dessen Folge auch im Süden Nordjemeniten im öffentlichen Dienst, den Sicherheitsbehörden und der Armee. Dass der Süden kaum an den Öleinnahmen beteiligt ist, obwohl dort die meisten Ölfelder liegen, sorgte zusätzlich für Unmut.

Saleh hat sich aber auch im Norden viele Feinde gemacht: Im äußersten Nordwesten des Landes, um die Stadt Saada, brechen seit 2004 immer wieder Kämpfe zwischen Regierungstruppen und Rebellen aus, sogenannten Zaiditen. "Die Zaiditen sind Schiiten, stehen dem Sunnitentum allerdings weitaus näher als die anderen schiitischen Glaubensrichtungen", sagt Experte Sternberg. Sie sehen ihre Entfaltung durch die Politik Salehs gefährdet: Der Sunnit fördert als Gegengewicht zu den möglichen Konkurrenten gezielt wahhabitische Missionare aus dem nahen Saudi-Arabien. Gekämpft wurde mit aller Härte, Regierungstruppen zerstörten immer wieder zaidistische Heiligtümer, Moscheen und Schulen. Saleh brandmarkte die Rebellen abwechselnd als Terroristen oder - mit Verweis auf ihr (sehr loses) Schiitentum - als Agenten des schiitischen Iran.

Damit konnte sich Saleh zwar den USA als Bollwerk gegen den Islamismus präsentieren, im eigenen Land wurde der 59-Jährige ob seiner autoritären Regierungsweise zunehmend als Diktator und Vasall der USA wahrgenommen. Dass mit Ali Mohsen nun ausgerechnet der für den umkämpften Nordwesten zuständige General zu den Regimegegnern überläuft, macht die Lage für Saleh immer aussichtsloser. Am vergangenen Samstag hatte das Regime noch einmal Stärke zeigen wollen und im Zentrum von Sanaa auf Demonstranten schießen lassen. Die 52 Toten, die zu beklagen waren, fachten die Wut aber nur aufs Neue an.

General Ali Mohsen hatte in den vergangenen Jahren im Nordwesten mehrere Offensiven gegen die Zaiditen befehligt. Angeblich entschuldigte er sich am Montag für seine Rolle als Kommandant in dem schmutzig geführten Krieg. Laut der Nachrichtenwebsite "News Yemen" sollen Vertreter der von der Familie Houthi geführten Rebellen seine Entschuldigung begrüßt haben.

Öl geht zur Neige

Wie immer der Machtkampf endet: Die Probleme des Jemen sind enorm. So geht etwa die Ölproduktion seit 2001 stetig zurück. In zehn Jahren, so heißt es, werden die Reserven aufgebraucht sein. Sinkenden Öleinnahmen stehen rasant steigende Bevölkerungszahlen gegenüber. Gemeinsam mit den erheblichen innenpolitischen Spannungen und einer erstarkenden Al-Kaida fürchten Experten bereits den Zerfall staatlicher Ordnung im Jemen.