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Regionales Öffnen in kleinen Schritten

Von Karl Ettinger

Politik

Am Montag sperrt der Handel auf. Für andere Bereiche gibt es verschieden schnelle Wege aus dem Lockdown.


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Österreich sperrt für Geimpfte wieder auf. In Schritten zumindest. Nach dem Ende des seit 22. November geltenden Lockdowns wird es in drei Bundesländern schon beginnend mit Sonntag zur Öffnung kommen. Die Regelungen werden über Österreich verteilt allerdings zu einem wahren Fleckerlteppich, weil sie sich von Bundesland zu Bundesland stark unterscheiden.

Das Burgenland, Tirol und Vorarlberg sperren schon ab Sonntag allgemein auf, in Niederösterreich, der Steiermark und Salzburg bleiben Gastronomie und Hotels bis 17. Dezember geschlossen, in Wien, wie angekündigt, bis 20. Dezember. In Kärnten will man erst am Donnerstag über anstehende Schritte verhandeln. Die Ergebnisse von Mittwoch seien "die Unterkante" an österreichweit geltenden Maßnahmen, sagte Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) nach der Sitzung. Kärnten werde jedenfalls "weiterhin größte Vorsicht" walten lassen.

Fix ist dagegen eine einheitliche Sperrstunde ab 23 Uhr in ganz Österreich, wie nach dem Treffen der Bundesregierung mit den Landeshauptleuten und Fachleuten am Mittwochvormittag in einer Pressekonferenz verkündet wurde. Die wichtigsten Neuigkeiten zum Lockdown-Ende waren ohnehin seit Dienstag bekannt. Der neue Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) hatte da nämlich schon vorab zugesichert, dass die Ausgangsbeschränkungen für Geimpfte ab Montag wegfallen werden. Neben dem Handel abseits der Grundversorgung, die ohnehin stets geöffnet geblieben war, dürfen dann auch körpernahe Dienstleister wie Friseure wieder aufsperren. Dort gilt die 2G-Regel.

Nehammer: Öffnungsschritte "mit Sicherheitsgurt"

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) hatte ebenfalls schon am Dienstag angekündigt, dass Gastronomie und Hotellerie in Wien noch bis 20. Dezember geschlossen bleiben. In Oberösterreich dauert der Lockdown unterdessen mindestens bis 17. Dezember.

Der Bund legte nach dem Treffen mit dem Landeshauptleuten Mindeststandards für die Öffnung vor. Der Lockdown für Ungeimpfte wird demnach zunächst unbefristet fortgesetzt. Nach der Öffnung für Geimpfte und Genesene bleiben jedoch Einschränkungen aufrecht. Neben der Sperrstunde um 23 Uhr gilt in Innenräumen von Lokalen demnach eine Obergrenze von 25 Personen, outdoor sind es 300. Bars und Nachtgastronomie müssen weiter gesperrt bleiben.

Für Kulturveranstaltungen gilt indoor ebenfalls eine Obergrenze von 25 Besuchern, wenn keine Plätze zugewiesen sind. Mit zugewiesenen Plätzen – etwa in Theatern – sind bis zu 2.000 Personen zugelassen. Halten sich Betreiber nicht an die Regeln, so droht ihnen auch die Rückzahlung von Förderungen. In öffentlichen Verkehrsmitteln und in geschlossenen öffentlichen Räumen gilt eine FFP2-Maskenpflicht. Am Arbeitsplatz bleibt die 3G-Regel samt FFP2-Maskenpflicht aufrecht.

Man habe den Menschen versprochen, dass der Lockdown für Geimpfte beendet werde, sagte Nehammer nach dem Treffen, das gut eine halbe Stunde länger als geplant gedauert hatte: "Dieses Versprechen werden wir einhalten." Nehammer sprach aber lediglich von einer "Atempause". Es handle sich bei den festgelegten Mindeststandards um "Öffnungsmaßnahmen mit Sicherheitsgurt". Der Lockdown für Ungeimpfte bliebe indes so lange aufrecht, bis genügend Menschen geimpft seien, erläuterte der Bundeskanzler auf Nachfrage.

Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) betonte zu den neuen Maßnahmen: "Der Bund legt hier eine scharfe Unterkante vor." Auf weitere Versprechen wollte er sich nicht mehr einlassen, denn die neue Virus-Variante Omikron beinhalte weiter viele Fragezeichen. Verbunden damit war ein neuer, eindringlicher Appell des Gesundheitsministers, sich impfen zu lassen und damit nicht bis zur geplanten Einführung der Impfpflicht ab 1. Februar zu warten. Details zur Impfpflicht sollen am Donnerstag vorgelegt werden. Für Donnerstagnachmittag ist danach die Vorstellung der neuen ÖVP-Regierungsmitglieder im Nationalrat angesetzt. "Wir müssen aus dem Kreislauf des Öffnens und Schließens gemeinsam heraus", appellierte Mückstein. Er warnte zugleich vor "Fake News" vonseiten der FPÖ und forderte sie ausdrücklich auf, "damit aufzuhören".

Schon vor dem Corona-Gipfel hatte sich abgezeichnet, dass es in Österreich ab Montag zu einem Fleckerlteppich kommen wird. Um den Kauf von Weihnachtsgeschenken zu ermöglichen und damit das Weihnachtsgeschäft einigermaßen zu retten, dürfen Geschäfte etwa für Bekleidung oder Sportgeräte öffnen. Außerdem werden die Geschäfte erstmals am letzten Adventsonntag, dem 19. Dezember, offen halten dürfen.

Scharfe Kritik von Hotellerie- und Gastronomievertretern

Dennoch gibt es bereits massiven Unmut und Proteste. Diese kommen von Vertretern der Gastronomie und der Hotellerie in der Bundeshauptstadt. Grund ist, dass die Stadt Wien jedenfalls strengere Regeln beibehält und die Öffnung nur schrittweise vornehmen wird. "Das für die Betriebe essentielle Weihnachtsgeschäft lässt sich keinesfalls in drei Tagen aufholen und ist unwiederbringlich verloren", sagte etwa Mario Pulker, Obmann des WKÖ-Fachverbands für Gastronomie. Ludwig bekräftigte dennoch, dass es bei dieser schrittweisen Öffnung in Wien bleiben werde. Er sei froh, dass auch andere Bundesländer einen solchen Weg der "Entzerrung" bei der Öffnung gingen.

Aus dem Büro von Oberösterreichs Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) hieß es unterdessen, "Ziellinie" zum Aufsperren in Oberösterreich sei nach wie vor der 17. Dezember. Ob es also am 18. Dezember definitiv zu einem breiten Aufsperren in seinem Bundesland kommen wird, blieb offen. Man wolle am Donnerstag mit Experten, Städtebund, Gemeindebund und den Sozialpartnern die Details besprechen. Der Tiroler Landeshauptmann Günter Platter (ÖVP), der aktuell auch Vorsitzender der Konferenz der Landeshauptleute ist, begründete die frühere Öffnung in seinem Bundesland mit den niedrigeren Zahlen bei den Corona-Neuinfektionen.

Opposition kritisiert "Weiterwurschteln"

Die Opposition übte Kritik an den Entscheidungen . Während die SPÖ ein "planloses Dahinstolpern" und den Länder-"Fleckerlteppich" kritisierte, sprachen die Neos von einem "nicht nachvollziehbaren Weiterwurschteln wie bisher". Seitens der FPÖ kritisierte der Wiener Parteiobmann Dominik Nepp vor allem den strengen Kurs von Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ).

SPÖ-Gesundheitssprecher Philip Kucher sprach in einer Aussendung von einer "Fortsetzung der Absurdität": "Nach fast zwei Jahren Pandemie geht das planlose Dahinstolpern und der Fleckerlteppich auch unter Nehammer weiter. Die Ursache darin liegt im Abschieben der Verantwortung durch die Bundesregierung. Ein zentrales Krisenmanagement samt nachvollziehbarer Gesamtstrategie fehlt weiterhin."

Der Abgeordnete verwies darauf, dass in der westliche Bundesländer wie in Tirol trotz deutlich schlechteren Corona-Zahlen - "von der Inzidenz bis hin zur Auslastung der Spitalskapazitäten" - weniger strenge Regeln gelten werden als in der "Vorzeigeregion" Wien. "Das versteht doch wirklich niemand."

"Das Virus orientiert sich weder an Landtagswahlterminen noch an einer ÖVP-Propaganda, die behauptet, die Pandemie gemeistert zu haben. Dass die türkis-grüne Bundesregierung das noch immer nicht begriffen hat, wundert einen dann doch sehr", so Kucher. Er forderte ein nachvollziehbares Vorgehen anhand einheitlicher Kriterien für ganz Österreich ein.

Prognose des Corona-Konsortiums als Grundlage

Ähnlich argumentierte der stellvertretende Neos-Klubobmann Gerald Loacker: "Wer soll denn verstehen, dass die Bundesländer mit den schlechtesten Zahlen am meisten und am schnellsten öffnen, und dort, wo man im Sommer vorausschauend und richtig gehandelt hat und deshalb jetzt am besten da steht, am längsten zugesperrt bleibt?" Dieser "Fleckerlteppich an Maßnahmen" sei "absolut unlogisch".

Die Bevölkerung kenne sich nicht mehr aus und könne den Entscheidungen nicht mehr folgen. "Sie sehen nur, dass jetzt nicht mehr der Kanzler, sondern die Landeshauptleute mehr zu sagen haben als die Expertinnen und Experten, jede und jeder von ihnen machen kann, was er oder sie will, egal, ob es vernünftig ist oder nicht", so Loacker. Und Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) habe seine Verantwortung für das Pandemiemanagement "endgültig und komplett aus der Hand gegeben".

Der Wiener FPÖ-Chef Nepp zeigte vor allem für den Kurs von Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) "null Verständnis". Denn während im Burgenland, Tirol und Vorarlberg die Gastronomie und Hotellerie am kommenden Sonntag aufsperren "und wenig später Niederösterreich, Salzburg, die Steiermark und Oberösterreich nachfolgen", stehe Wien "auf der Bremse". "Mit diesem restriktiven Kurs der Wirtschafts- und Unternehmerfeindlichkeit verpasst Ludwig einen weiteren Schlag in die Magengrube aller Wiener Gastronomen und Hotelleriebetreiber", so Nepp, der eine sofortige Öffnung aller Branchen in Wien forderte.

Grundlage für die nun beschlossenen Öffnungen war wie immer die Prognose des Covid-Prognose-Konsortiums im Auftrag des Gesundheitsministeriums. Sie geht davon aus, dass "sich der Abwärtstrend in den Fallzahlen fortsetzt". Mit "entsprechendem Zeitverzug" könne daher auch ein Rückgang der Belagszahlen auf den Intensivstationen erwartet werden. Dieser würde jedoch nach wie vor auf "teilweise systemkritisch hohem Auslastungsniveau" erfolgen, so das Konsortium.