Frankreich: Reform der Nummerntafeln stößt auf Widerstand. | Autos können nun schwerer regional zugeordnet werden. | Paris/Wien. Für Autofahrer aus der Provinz sind die Straßen großer Städte ein Abenteuer. Aber auch Großstädter, die sich mit dem Auto in ländlichere Gegenden verirren, haben kein leichtes Leben. Allerdings erkennt der aufmerksame Autofahrer in vielen Ländern mit einem Blick auf das Nummernschild, woher sein Vordermann kommt, und kann dementsprechend reagieren - also je nach Fahrstil entweder Rücksicht auf den Ortsunkundigen nehmen oder ihn wild anhupen und beschimpfen.
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So einfach werden es die Franzosen in Zukunft nicht mehr haben. Ab 1. Jänner 2009 wird in Frankreich nämlich ein neues System der Kraftfahrzeugskennzeichnung eingeführt, bei dem die regionale Zuordnung deutlich weniger gut zu erkennen sein wird.
Mit der neuen Regelung wird die Départementnummer - bisher die letzten beiden Ziffern auf dem Nummernschild - nur noch als kleine Markierung am Rande des Kennzeichens zu sehen sein. Da die beiden Départementsziffern für viele Franzosen zum Regionalstolz gehören, stößt die Neuerung freilich auf breiten Widerspruch. Noch dazu kann das Département ab 2009 vom Besitzer des Wagens unabhängig vom Wohnort gewählt werden. Somit wird nicht mehr eindeutig zu erkennen sein, woher der Lenker tatsächlich stammt.
Abgeordnete im Einsatz
"Die Zahl ist Teil unseres Erbes", sagt der nordfranzösischen Abgeordneten Dominique Dupliet zu der Causa. Außerdem sei sie ein Mittel der Kontaktaufnahme für alle, die fernab der Heimat unterwegs seien und einander so erkennen könnten. Ursprünglich hatte die französische Regierung geplant, die Départementsnummer gänzlich von den Nummernschildern zu verbannen, musste jedoch einlenken, nachdem es zu heftigen Protesten gekommen war: Mehr als 200 Parlamentsabgeordnete und 1500 Regionalpolitiker stellten sich hinter die Initiative "Jamais sans mon département" ("Nie ohne mein Département"). Die Initiative verlangt, dass die Départementkennzahl weiterhin gut lesbar auf den Autoschildern steht.
Laut einer Umfrage würden es sieben von zehn Franzosen bedauern, wenn der rollende Herkunftsnachweis abgeschafft würde. Dabei geht es allerdings nur einem Drittel der Befragten um die Verbundenheit mit der engeren Heimat. 38 Prozent finden die Abschaffung schlecht, weil die Herkunft anderer Verkehrsteilnehmer nicht sichtbar wäre und das bei langen Fahrten beliebte Kennzeichenraten mit den Kindern wegfiele. Im erbarmungslosen Verkehr der Hauptstadt Paris allerdings wäre mancher Autofahrer aus der "Provinz" wohl froh, wenn er nicht mehr am Kennzeichen erkannt würde. "Das würde mir das Hupen an jeder Ecke ersparen", schreibt ein Betroffener in einem Auto-Blog.
Mangel an Kennzeichen
Die Reform der Autokennzeichen ist auf jeden Fall dringend nötig, weil der Regierung sonst in einigen Jahren die Nummernschilder ausgehen. Denn das aktuelle System aus den 1950er-Jahren hat einen Fehler: Es sieht keine Pflicht vor, Autos bei der Verschrottung abzumelden. Die Behörden haben deshalb inzwischen 150 Millionen Autos registriert, auch wenn tatsächlich nur etwa 40 Millionen auf der Straße unterwegs sein dürften.
Zukünftige Kennzeichen bestehen aus einer Reihe von sieben alphanumerischen Zeichen (nach dem Schema AA-111-AA). Sie werden chronologisch in einer einzigen nationalen Serie vergeben. Auf der linken Seite befindet sich auf blauem Grund mit den europäischen Sternen die Nationenkennzeichnung "F", auf der rechten Seite - ebenfalls auf blauem Grund - prangen die Départementnummer und das Logo der Region, zu dem das Département gehört. Das Kennzeichen behält jeder Wagen zeit seines Lebens in Frankreich - also im Normalfall bis zur Verschrottung. Die neuen Nummernschilder gibt es für Neuwagen ab Anfang 2009 und für Gebrauchtwagen - bei einem Besitzerwechsel oder einer Änderung auf der Zulassungsbescheinigung - ab 1. März.
Die Reform soll auch den Kauf und die Umschreibung eines Kraftfahrzeugs entbürokratisieren, da keine neue Nummerntafel besorgt werden muss, wenn ein Wagen den Besitzer wechselt. Auch die Pflicht des Kennzeichenwechsels beim Umzug entfällt. Damit aber der Regionalstolz der Reformgegner nicht gekränkt wird, macht die Regierung auch hier ein Zugeständnis: Zumindest die Départementnummer kann auf Wunsch geändert werden.