Sonderabgaben für Spitzenverdiener mögen ein Gerechtigkeitsgefühl bedienen. Zur Sanierung der Staatsfinanzen tragen sie jedoch nicht bei.
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Europa plagt die Geldnot. Die Haushalte sind heillos überschuldet, die öffentliche Hand ist fast pleite. Schon werden neue Forderungen anheischig, Spitzenverdiener mit einer Extra-Steuer zu belegen. "Ran an die Reichen", lautet die Losung in Europas Hauptstädten. Spaniens Premier Mariano Rajoy hat den Spitzensteuersatz auf 52 Prozent angehoben. Der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds, Michael Sommer, fordert eine Zwangsanleihe für Reiche. Und Frankreichs Präsident François Hollande hat den Spitzensteuersatz für Einkommen ab einer Million Euro auf 75 Prozent erhöht.
Gewiss, die Idee, Vermögenswerte abzuschöpfen und dem Staatshaushalt zuzuführen, hat Charme. Die Crux ist bloß, dass viele Wohlhabende ihr Geld nicht in Golfplätze oder Jachten stecken, sondern in ihre eigenen Betriebe. Wer Unternehmer zum Kauf staatlicher Schuldpapieren zwingt, entzieht ihren Unternehmen faktisch Eigenkapital. Und daran mangelt es gerade. Die Banken, die den Geldkreislauf in Schwung bringen, misstrauen einander. Zwangsanleihen würden das Liquiditätsproblem auf den Märkten weiter verschärfen.
Wohlgemerkt werden Leistungsträger schon genug geschröpft. In der Schweiz kommen die obersten 10 Prozent der Einkommenstabelle für 78 Prozent der Steuern auf. In Österreich tragen die Wohlhabenden einen Anteil von 60 Prozent am Steueraufkommen. Und in Deutschland zahlen die Topverdiener immerhin noch rund die Hälfte der Steuern. Natürlich gilt der Grundsatz, dass Eigentum sozialpflichtig ist. Es ist ein Gebot der Solidarität, dass Besserverdiener mit ihrem Einkommen für soziale Schwächere einstehen und die staatliche Infrastruktur wie Straßen, Schulen und Krankenhäuser mitfinanzieren. In der Diskussion geht es nicht um eine Schonung von Vermögen, sondern um eine gerechte Lastenverteilung. Der Anteil der Spitzenverdiener am Steueraufkommen des Staats ist schon jetzt überproportional.
Die Reichensteuer ist reine Symbolpolitik. Die Sonderabgaben generieren nicht die erhofften Mehreinnahmen. Als in Deutschland der Spitzensteuersatz von 42 auf 45 Prozent erhöht wurde, brachte dies dem Fiskus lediglich eine Milliarde Euro zusätzliche Einnahmen (von insgesamt 225 Milliarden Euro Einkommenssteuer) - ein Klacks verglichen mit dem Verschuldungsstand des Staats. Auch in Österreich zeitigte die Streichung von Vergünstigungen für Einkommen ab 185.000 Euro nicht die gewünschten Effekte. 40 Millionen Euro Mehreinahmen brachte das Reförmchen - was nicht einmal einem Promille der Haushaltsausgaben von 50,5 Milliarden Euro im Jahr 2011 entspricht.
Dies belegt, dass mit der Reichensteuer an der falschen Stellschraube gedreht wird. Es mag in der Gesellschaft ein Gerechtigkeitsgefühl bedienen, wenn Reiche zur Kasse gebeten werden. Zur Sanierung des Haushalts tragen Sonderabgaben für Spitzenverdiener jedoch nicht bei. Um die Schulden in den Griff zu bekommen, bedarf es vielmehr Kürzungen im Sozialwesen und des Abbaus von Subventionen. Nur so kann die Balance der Haushalte wiederhergestellt werden.