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Reichtum braucht Verantwortung

Von Thomas Seifert und Hannah Stadlober

Wirtschaft
Charly Kleissner auf den Stufen im Wiener MAK.
© Thomas Seifert

Wien-Silicon Valley und zurück. Wie ein Tiroler die Finanzwelt umkrempeln will.


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"Wiener Zeitung": Sie sind Tiroler, sind in den USA vielfacher Multimillionär geworden. Mit Frank Stronach würde sie aber wohl niemand verwechseln.Charly Kleissner: Ich hole ein wenig aus: Ich bin 1986 ins Silicon Valley ausgewandert. Das kam so: Ich war an der TU Wien, war dort drauf und dran, Professor zu werden. Meine Frau ist Amerikanerin, es war für sie in Wien als Nicht-Österreicherin schwierig, in ihrem Beruf als Architektin Fuß zu fassen. Also gingen wir in die USA. Ich war dann bei drei erfolgreichen Software-Unternehmen, eines davon war die von Steve Jobs gegründete Firma Next. Eine zweite Firma war im Data-Mining-Geschäft, die dritte Firma war Ariba, die wir 1998 auf den Markt gebracht haben. Diese Firma habe ich von null auf 850 Millionen Dollar Umsatz pro Jahr mit aufgebaut, das Team wuchs von sieben auf 700 Mitarbeiter. Vor kurzem erst ist diese Firma von SAP um 4,3 Milliarden Dollar gekauft worden. Aus Beteiligungen an diesen Firmen stammt mein heutiger Wohlstand. Meine Frau Lisa hat dann die Frage gestellt, wozu dieser ganze Reichtum denn nun gut sein soll. Sollte dieses Geld nicht für sinnvolle Dinge eingesetzt werden? Sie drängte dazu, eine Stiftung zu gründen. Und so geschah es: Heute ist die unsere Stiftung TL Felicitas einer der Vorreiter beim sogenannten Impact-Investment, also bei Investitionen, die einen sozialen und ökologischen Nutzen bringen.

Muss man bei solchen Investments eigentlich auf Rendite verzichten?

Nein. Wir haben gemeinsam mit Sonen Capital einen Bericht fertiggestellt, in dem wir zeigen konnten, dass die Performance des Portfolios nicht leidet, wenn man gewisse Werte beim Investieren mitberücksichtigt.

Die Kritik an der Finanzwirtschaft lautet heute, dass diese den Kontakt zur Realwirtschaft verloren hat. Wie sieht das mit Impact-Investoren aus?

Wir fühlen uns unseren Investments verbunden. Und wir fühlen uns unseren Grundsätzen verpflichtet: Unsere flüssigen Geld-Mittel, also Cash, legen wir nicht einfach bei Großbanken wie Bank of America oder Wells Fargo an. Denn da weiß man nicht, für wen oder was dein Geld arbeitet. Wir legen unsere Bar-Bestände bei Banken, die sich der Transparenz verschrieben haben an, wie etwa der GLS-Bank oder der Triodos-Bank.

Sie sagen, Menschen sollten genau prüfen, wem sie ihr Geld anvertrauen.

Nehmen wir an, ich spreche mit einem Pensionisten. Dem sage ich: "Willst Du wissentlich in etwas investieren, das dazu beiträgt, die Welt für Deine Kinder und Kindeskinder ein Stück weniger lebenswert zu machen?" Warum soll ein Pensionsfonds in Firmen, die das Klima gefährden, investieren? Oder in Rüstungskonzerne? Manche Fondsmanager sagen dann: "Also was jetzt, wollen Sie nun eine Pension, oder wollen Sie Gutes tun?" Ich sage: beides. In den nächsten 10 bis 15 Jahren wird das Finanzsystem umgekrempelt. Darum ist es umso wichtiger, dass die Anleger absolute Transparenz haben. Jemand mit Umweltbewusstsein wird darauf achten, dass sein Fonds keine Aktien von BP oder Chevron hält.

Sie haben vorhin darüber gesprochen, wie Ihre Frau dazu gedrängt hat, den erworbenen Reichtum sinnvoll einzusetzen.

Wir waren zur richtigen Zeit, mit den richtigen Skills am richtigen Ort. Das ist die Basis unseres Vermögens. Vermögen bringt Verantwortung mit sich. Ein Aspekt davon ist, zu zeigen, dass Geld und Vermögen nicht einfach gut oder einfach schlecht ist. Geld korrumpiert uns, das ist eine der großen Gefahren. Aber Geld kann auch sehr positive Veränderungen bewirken. Das Finanzsystem muss in einer Weise umgebaut werden, dass nachhaltigeres Wirtschaften Platz greift. Für mich ist es schlicht unvorstellbar, das Vermögen das ich besitze, von den Werten, die ich habe, zu trennen. Am Ende ist es doch so: So wie sie leben ist Ausdruck dessen, wer oder was sie sind. Und für viele Leute ist Geld schlicht eine Möglichkeit, mächtiger zu werden. Und zu denen möchte ich nicht gehören.

Sie sind reich. Wie denken Sie über Arme. Was bedeutet soziale Ungleichheit für Sie?

Das ist eines der größten Probleme weltweit. Was tue ich persönlich? Die Mehrheit meines Besitzes arbeitet zugunsten der Gesellschaft. Die andere Möglichkeit ist, dass der Staat uns zwingt, mehr von diesem Reichtum zugunsten der Gesellschaft einzusetzen. Da gibt es aber freilich Unterschiede zwischen Europa und den USA: Schließlich wäre US-Präsident Barack Obama, der von den Republikanern in den USA als Linker verschrien wird, in Europa ein klassischer Mitte-rechts-Politiker.

Charly Kleissner ist gebürtiger Tiroler und war in den 1980er und 1990er Jahren einer der wichtigsten Software-Entwickler. So entwickelte er etwa mit Apple-Genie Steve Jobs das Betriebssystem OS X, auf dessen Basis jedes iPad, jedes iPhone und jeder Mac läuft. Der heute 56-Jährige absolvierte ein Informatik-Studium an der TU Wien. Mit seiner Frau Lisa Kahululani gründete er eine
Stiftung (KL Felicitas Foundation) und Netzwerke für "Social Impact Investment". Seither widmet sich das Ehepaar Kleissner dem Impact Investing und der wissenschaftlichen Arbeit in diesem Bereich. In Wien
sprach er bei der "Design for Impact"-Konferenz.