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Reif für ein neues Bildungszeitalter?

Von Petra Tempfer

Politik
"Neustart Schule": Die von der Industriellenvereinigung (IV) gegründete Initiative lud zum Bildungsgipfel. Am Podium (v.l.n.r.): Michael Chalupka (Diakonie), Hannes Androsch (Initiator Bildungsvolksbegehren), Christiane Spiel (Uni Wien) und Georg Kapsch (IV-Präsident).
© start Schule

Die Industriellenvereinigung fordert eine "Bildungsrevolution".


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Wien. "Total verpolitisiert und überverwaltet." So bezeichnet Georg Kapsch, Präsident der Industriellenvereinigung (IV), das österreichische Bildungssystem. Noch. Denn in zwei Monaten, am 17. November, soll sich einiges ändern, wenn die Bildungsreform-Arbeitsgruppe der Regierung ihre Vorschläge präsentiert. Im Vorfeld machte sich die von der IV gegründete Initiative "Neustart Schule" für eine "Bildungsrevolution", wie sie sie nennt, stark und lud Bildungsexperten am Dienstag zu einem Gipfel.

Vertreter von mehr als 20 Organisationen gehören zu den Mitinitiatoren und formulierten ihre Vorschläge - darunter Hannes Androsch, der bereits 2012 ein Bildungsvolksbegehren initiierte, Caritas, Diakonie, Wirtschaftskammer, Verband der Elternvereine an öffentlichen Pflichtschulen und der Dachverband der Berufsgruppen der Kindergarten- und Hortpädagoginnen. Deren Tenor: Man muss die Elementarbildung aufwerten, den Schulen mehr Autonomie geben und die Verwaltung verschlanken. Die Forderungen wurden in einem Positionspapier zusammengefasst.

Aufwertung des Kindergartens

Dass diese zumindest zum Teil in die Bildungsreform miteinfließen werden, scheint realistisch. Denn Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) und Wissenschafts-Staatssekretär Harald Mahrer (ÖVP), zwei der wichtigsten Mitglieder der Arbeitsgruppe der Regierung, halten sie für eine gute Idee, wie sie sagten. Auch die Grünen und Neos schlossen sich den Forderungen der Zivilgesellschaft an.

Die zentrale Frage ist laut Initiative, ob man weiter im Stillstand verharre oder "endlich den Aufbruch in ein neues Bildungszeitalter wage". Entscheidet man sich für Zweiteres, müsse man bei den Kleinsten, den Kindergartenkindern, ansetzen. Derzeit hängt die Ausbildung der Elementarpädagogen davon ab, in welchem Bundesland man wohnt. Für Kindergartenassistentinnen existieren überhaupt keine Schulungsstandards.

"Neustart Schule" fordert bundesweite, einheitliche Rahmenbedingungen und die Akademisierung der Kindergartenpädagogen-Ausbildung. Im ersten Entwurf für das neue Lehrerdienstrecht war diese noch fix vorgesehen - als dieses im Dezember 2013 beschlossen wurde und unter anderem eine Erhöhung der Anfangsgehälter mit sich brachte, waren die Kindergartenpädagogen allerdings daraus verschwunden. Zudem soll laut "Neustart Schule" ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr für mehr Chancengerechtigkeit sorgen.

Sowohl die Kindergärten als auch die Schulen sollen mit hoher Autonomie ausgestattet werden. Die Initiative will den Schuldirektoren die Verantwortung für die Auswahl und den Einsatz ihres Personals überlassen. Eltern, Schüler und Lehrer wiederum sollen in die Bestellung des Schulleiters miteinbezogen werden. Der jeweilige Standort müsse Freiräume beim Einsatz der Mittel bekommen sowie eigene Budgets für Schulentwicklung, Weiterbildung, Lehrbeauftragte und Leistungsprämien. Ab einer bestimmten Größe soll es administratives Unterstützungspersonal und ein mittleres Management geben - also eine Art Schnittstelle zwischen Bund und autonomen Schulen.

Der Bildungsexpertin Christiane Spiel von der Universität Wien zufolge ist die Frage der Schulautonomie jetzt besonders wichtig, wenn zahlreiche Flüchtlingskinder in das österreichische Schulsystem eingegliedert werden. "Die Zusammensetzung der Schüler ist extrem unterschiedlich", sagte sie am Dienstag beim IV-Bildungsgipfel, "und die Schulen müssen rasch darauf reagieren können."

Der Autonomie soll allerdings laut "Neustart Schule" eine externe Qualitätskontrolle gegenüberstehen, die mit der Teilnahme an Überprüfungen verbunden ist. So müssten zum Beispiel Bildungsstandards erreicht werden. Unterrichtszeit und Tagesablauf sollen die Schulen jedoch in Eigenverantwortung festlegen können, diese sollen zudem ganztägig - auch in den Ferien - organisiert sein.

"Es geht um die beste Bildung"

Die Gesetzgebungskompetenz will die Initiative ganz beim Bund ansiedeln. Das Bildungsministerium soll Bildungsstandards, Bildungsziele und Lehrpläne festlegen. Die Finanzierung der Schulen soll durch ein formelbasiertes Pro-Kopf-Budget außerhalb des Finanzausgleichs erfolgen. Das alles soll dabei helfen, den Verwaltungsaufwand zu reduzieren. "Bildung ist der Rohstoff des 21. Jahrhunderts", sagte Androsch. "Obwohl wir viel Geld ausgeben, sind wir derzeit rohstoffarm."

Heinisch-Hosek zeigte sich über diese Vorschläge erfreut. "Auch für mich ist ganz klar, dass verflochtene Zuständigkeiten entwirrt werden müssen und ein Paradigmenwechsel im Schulsystem erfolgen muss. Unser Ziel in der Bildungsreform muss eine positive Veränderung im Schulsystem sein. Durch mehr Entscheidungsgewalt am Schulstandort kann auch ein Mehr an Qualität gelingen. Wir sind gemeinsam auf einen guten Weg in Richtung 17. November", so die Ministerin in einer der APA übermittelten Stellungnahme. Zu konkreten Punkten will man sich aber nicht äußern, solange die Bildungsreform-Kommission noch tagt, heißt es auf Nachfrage der "Wiener Zeitung" aus dem Ministerium.

Auch Wissenschafts-Staatssekretär Mahrer hält die Vorschläge für eine gute Idee, wie er zur "Wiener Zeitung" sagt. "Für die Kinder müssen wir alle an einem Strang ziehen und in dieselbe Richtung. Alle willigen und konstruktiven Kräfte sind herzlich willkommen. Denn am Ende des Tages geht es um die beste Bildung für jedes Kind."