Die Vielfalt der Bildungswege, aus denen junge Menschen in Österreich wählen können, ist eine der besonderen Stärken unseres Schulwesens und leistet zweifelsohne einen wesentlichen Beitrag dazu, dass Österreichs Jugendarbeitslosigkeit zu den international niedrigsten zählt.
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Zusätzlich zu dieser Vielfalt an Schularten und Schulformen wurde während des letzten Jahrzehnts das schulautonome Abweichen von vorgegebenen Stundentafeln und Lehrinhalten durch die einzelne Schule seitens der Schulpolitik gewünscht, durch die Schulbehörden forciert und von den Schulen unter großem Aufwand umgesetzt.
Wenn die Schulpolitik nun der verlässlichen Qualität des Könnens und Wissens der Schüler und Absolventen ein besonderes Augenmerk widmet, entspricht dies angesichts der hohen Bedeutung von Bildung verantwortungsvollen Denken. In diesem Kontext sind Bildungsstandards ebenso zu begrüßen wie eine externe Überprüfung der für ein Studium unverzichtbaren Kompetenzen im Rahmen der Reifeprüfung, sofern diese neuen Instrumente sinnvoll gestaltet und eingesetzt werden. Und da gibt es bei den ministeriellen Plänen zur Zentralmatura noch viel Verbesserungsbedarf.
Ein paar Beispiele: Was für jeden Studenten unverzichtbar ist, muss allen Maturanten vermittelt worden sein, unabhängig davon, ob sie über eine AHS, eine BHS oder über eine Berufsreifeprüfung die allgemeine Hochschulberechtigung erwerben. Wenn Bundesministerin Claudia Schmied eine Zentralisierung nur an den AHS einführen möchte, sind das Misstrauen aller Betroffenen und die Ablehnung durch viele Lehrer, Schüler und Eltern verständlich und berechtigt, erwerben doch nur gut 40 Prozent aller Maturanten ihr Reifeprüfungszeugnis an einer AHS.
Die Reifeprüfung darf in keinem Gegenstand auf den zentral überprüften Teil reduziert werden, weil sonst die in den letzten Jahren ausgebaute bereits erwähnte Vielfalt der Inhalte, die die verschiedenen Schulen kennzeichnen, ignoriert würde. Oder soll das vom Unterrichtsministerium entwickelte Modell einer Zentralmatura gar eine Reduktion des Bildungsangebots auf eine einzige Schulart einläuten?
Eine neue Reifeprüfung darf Gegenstände, in denen keine Schularbeiten vorgesehen sind, nicht an den Rand drängen, darf die alte Unterscheidung zwischen "Haupt- und Nebengegenständen" nicht wiederbeleben. Denn Bildung ist weit mehr als Deutsch, Mathematik und Fremdsprachen, so wichtig diese Bildungsinhalte auch sind!
Bei der Reform der Reifeprüfung gilt es, Verlässlichkeit und Vielfalt auf einen Nenner zu bringen. Bei gutem Willen ist es durchaus zu schaffen, sowohl die Vielfalt der Begabungen, Interessen und Neigungen der Schüler zu berücksichtigen als auch Abschlusszeugnisse vergleichbarer und damit aussagekräftiger werden zu lassen.
Gerhard Riegler ist Vorsitzender der Österreichischen Professoren Union (ÖPU).