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"Reine rhetorische Manipulation"

Von Christian Rösner

Politik

Wähler werden laut Rhetorik-Trainer Gössler bewusst durch Fragen "geführt".


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Wien. "Die Fragen der Volksbefragung sind reine rhetorische Manipulation", erklärt Rhetorik-Trainer Stefan Gössler im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Fragen zählen ihm zufolge zu den mächtigsten Werkzeugen der Manipulation. "Denn wer fragt, der führt, lautet der Leitsatz professioneller Fragetechnik", so Gössler. Wer die Frage formuliert, könne nämlich auch die Antwort beeinflussen. Das gelte ebenso für die Volksbefragung.

Häupl vermeide Bruno Kreiskys Zwentendorf und stelle nicht die Frage, "ob" ein Parkpickerl in Wien erwünscht ist, sondern "wie" es organisiert werden soll. Ziel sei es, eine politische Entscheidung nachträglich zu legitimieren. Diese Form der Auswahlbeschränkung ist laut Gössler ein Mittel der manipulativen Rhetorik. Und er nennt ein Beispiel: "Machen wir den Termin am Mittwoch oder am Donnerstag?" frage der Verkäufer am Telefon und wisse: Die meisten Menschen realisieren nicht, dass damit die Grundannahme - dass überhaupt ein Termin gewünscht sei - schon vorweggenommen werde.

"Wie aus NLP-Lehrbuch"

Auch die Fragen 3 und 4 der Volksbefragung könnten laut dem Experten aus einem NLP-Lehrbuch stammen: Bevor der Wähler entscheiden soll, werde erklärt, dass die Leistungen der Kommunalbetriebe "wichtig" seien und vor Privatisierung "geschützt" werden sollten. Privatisierung und Konkurrenz könnte mehr Leistung bei gleichen Steuern heißen. Das wäre im Sinne der Bürger, meint Gössler. "Das würde aber auch bedeuten, die echte Machtbasis der SPÖ Wien zu riskieren: die Betriebe der Stadt Wien und deren zehntausende Angestellte." Und das sei sicher nicht im Sinn des Fragestellers.

Und die Frage nach der Teilnahme Wiens an Olympischen Spielen? "Die ist das klassische Zuckerl für die Wähler und die bittere Pille für die Opposition: Denn gegen diese Option kann niemand ernsthaft eine Kampagne starten. Damit müsste gerade die FPÖ eine je nach Frage differenzierende Kampagne führen, was definitiv nicht zu ihren Stärken zählt", erklärt Gössler.