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Reine Vernunft erzeugt Gewalt

Von Edwin Baumgartner

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Menschenskind, Philosophie ist doch so was von langweilig ... Ist das für etwas anderes gut als bestenfalls für eine angeregte Diskussion soignierter Herren, die im Leben nichts Besseres zu tun haben, als eben über philosophische Thesen zu diskutieren? So ist Zivilisation, denn wer wird schon über Immanuel Kants "Kritik der reinen Vernunft" zur reißenden Bestie werden?

Allerdings ... Da neulich in Russland ... : In Rostow am Don also gerieten Kunden in einer Buchhandlung in ein Gespräch über Kant, das immer hitziger wurde und schließlich in Gewalt ausartete: Erst ein Faustschlag ins Gesicht eines der Diskutanten, der zieht darauf eine Luftpistole und drückt ab. Treffer. (Der Verletzte ist außer Lebensgefahr.)

Na, das wäre doch etwas für die angeblich so lahmen TV-Wahlkampfdiskussionen. Statt mit den ausgeleierten Themen wie Hypo Alpe Adria, Nächstenliebe nur für Inländer, Mindestsicherung, Schulsystem und Todesstrafe für Berufskiller einmal Zund in die Runde bringen: "Wie sehen Sie die Bedingungen der Möglichkeit von Erkenntnis?"

Den Diskutanten aber, bitte, zuvor alles abnehmen, was als Waffe verwendet werden könnte, also auch die Taferln, die als Wurfgeschosse zweckentfremdet werden könnten. Und natürlich die Diskussionsteilnehmer in entsprechenden Abstand zueinander setzen, also mehr als eine Armeslänge, um Faustschlägen zuvorzukommen. Ein Erste-Hilfe-Kurs für die Diskussionsleiter wäre ebenfalls anzudenken.

Dem philosophischen Schützen von Rostow drohen 15 Jahre Haft. Zeit genug jedenfalls, um sich Kant nochmals vorzunehmen.