EU-Staaten wollen systematische Passkontrollen an den Außengrenzen auch für Unionsbürger - und die Mahnungen vor Einschränkungen innerhalb Europas mehren sich.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 9 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Brüssel. Zumindest einen Wettbewerb lehnt Werner Faymann ab - den um die Errichtung von Grenzsperren. Es dürfe nicht darum gehen, wer die besten und höchsten Zäune gegen Flüchtlinge baut, erklärte der österreichische Bundeskanzler bei einem Besuch in Berlin. Die Mitgliedstaaten der EU dürften sich nicht abschotten, sondern müssten vielmehr gemeinsam auf ein stärkeres Europa setzen. Gleichzeitig warnte Faymann davor, Flüchtlinge mit Terroristen zu vermischen: Die Schutzsuchenden seien nämlich Opfer, nicht Täter.
Das haben zuvor auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und andere Vertreter seiner Behörde betont. Trotzdem ist nach den Terrorattacken in Paris der Ton in den Debatten um die Aufnahme von Flüchtlingen und die Sicherung der Außengrenzen der Union schärfer geworden. Beigetragen haben dazu unter anderem Hinweise, dass einer der Attentäter mit einem - möglicherweise gefälschten - syrischen Pass als Asylwerber getarnt über Griechenland in die EU eingereist war.
Dass die Situation an den Außengrenzen der Europäischen Union beziehungsweise des Schengen-Raums kaum unter Kontrolle ist, wird denn auch mittlerweile an mehreren Stellen eingeräumt. Die sogenannten Hotspots, die in Griechenland und Italien eingerichtet werden sollen, funktionieren noch nicht überall. Daher können auch nicht alle Ankommenden registriert, können nicht die Daten der Menschen auf- und deren Fingerabdrücke abgenommen werden. Auch in manchen anderen Ländern sind die Behörden mit der Ankunft tausender Asylwerber täglich überfordert und lassen diese passieren.
Aus diesem Grund rückt ein besserer Schutz der Außengrenzen nun verstärkt in den Fokus der EU-Politiker. Der erste, der den Sicherheitsaspekt immer in den Mittelpunkt gestellt hat, war der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban. Nun pochen immer mehr Regierungen darauf, das Territorium der EU besser abzuschirmen.
Abgleich mit Polizeidaten
Darüber sollen die Innenminister der Union bei einem Sondertreffen am heutigen Freitag in Brüssel beraten. Zur Debatte stehen Änderungen des Schengen-Abkommens, das Passkontrollen an den Binnengrenzen abgeschafft hat. Jene Länder aber, die die Außengrenzen zu überwachen haben, verpflichtet der Vertrag zu bestimmten Kontrollmaßnahmen gegenüber Drittstaatsangehörigen. EU-Bürger hingegen unterliegen Minimalprüfungen: Sie müssen ihren Reisepass herzeigen. Weiteren Kontrollen, zu denen etwa der Abgleich der Angaben mit Polizeiinformationen gehört, sind zwar auch möglich. Das darf aber laut EU-Recht "nicht auf systematischer Basis" erfolgen.
Genau das könnte sich ändern. Um nämlich EU-Bürger identifizieren zu können, die sich als ausländische Kämpfer in Syrien betätigen wollen oder von dort zurückkehren, müssten die Grenzbehörden systematisch die Personenangaben mit den Erkenntnissen anderer Dienste vergleichen dürfen. Das nächstliegende dabei wäre die Nutzung der EU-weiten Fahndungsdatenbank SIS (Schengen-Informationssystem). Ebenso gibt es Pläne zum Ausbau einer Plattform unter dem Dach von Europol, wo die Staaten ihre Informationen über ausländische Kämpfer austauschen können. Zusätzlich könnte die europäische Strafregister-Datenbank um Angaben zu Nicht-EU-Bürgern erweitert werden.
Was derzeit nicht Gegenstand der Diskussion ist, ist die Wiedereinführung von Passkontrollen innerhalb des Schengen-Raums, dem neben den meisten EU-Staaten - außer Großbritannien, Irland, Kroatien, Zypern, Rumänien und Bulgarien - ebenfalls die Schweiz, Norwegen und Island angehören. Aber auch wenn das offiziell nicht auf der Agenda steht, mehren sich schon Warnungen vor einer Einschränkung der Reisefreiheit.
"Hang zu Barrikaden"
Sie kommen nicht nur aus der EU-Kommission sondern ebenfalls von EU-Ratspräsident Donald Tusk und anderen Unionspolitikern. Denn einige Mitgliedstaaten haben bereits Sicherheitsmaßnahmen an ihren Grenzen getroffen. Aus den Niederlanden kam außerdem die Idee, ein "Mini-Schengen" einzurichten: Demnach wäre Reisen ohne Passkontrollen nur noch zwischen den Benelux-Staaten, Frankreich, Deutschland und eventuell Österreich möglich. Die Überlegung stieß aber weder in Wien noch in Berlin auf großen Widerhall. "Unser politisches Ziel muss sein, den Schengen-Raum insgesamt so funktionsfähig wie möglich zu machen", kommentierte der deutsche Innenminister Thomas de Maiziere.
Dennoch orten auch Experten schlechte Signale für den Erhalt der Reisefreiheit. "Der Schengen-Raum ist eindeutig in Gefahr", sagt etwa Paul Ivan von der in Brüssel ansässigen Denkfabrik EPC (European Policy Centre). Er sieht die Tendenz, dass die Länder bei der Sicherung ihrer Grenzen eher jedes für sich denn gemeinsam agieren wollen. Diese Fragmentierung könnte sich noch verstärken, wenn manche von der Flüchtlingskrise besonders betroffene Staaten das Gefühl haben, anderen Mitgliedern fehle es an Solidarität. Trotz der Herausforderungen auch innerhalb der Schengen-Zone sollte aber dem Hang, "sich zu verbarrikadieren" nicht nachgegeben werden, findet Ivan. Vielmehr sollten eben die gemeinsamen Bemühungen verstärkt werden, die Außengrenzen besser zu sichern.
Das Schengener Abkommen