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Rekord-Kartellstrafe gegen Spar

Von Sophia Killinger

Wirtschaft

Der Oberste Gerichtshof verzehnfachte das Ersturteil wegen Preisabsprachen bei Molkereiprodukten auf 30 Millionen Euro.


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Wien. Spar hat die bisher höchste Kartellstrafe gegen ein einzelnes Unternehmen in Österreich ausgefasst. Der Oberste Gerichtshof (OGH) verzehnfachte die vom Erstgericht verhängte Geldbuße wegen Preisabsprachen bei Molkereiprodukten von 3 auf 30 Millionen Euro. Zum Vergleich: Der Nettogewinn des Händlers lag im Vorjahr bei 168,2 Millionen Euro.

Spar drohen indes weitere Strafen. Die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) hat nach Hausdurchsuchungen wegen des Verdachts auf Preisabsprachen in 16 weiteren Produktgruppen ermittelt. "Die BWB hat weitere Bußgeldanträge eingebracht", sagt ein Behördensprecher am Freitag. Diese betreffen Bier und Mehl, so Spar-Sprecherin Nicole Berkmann. Die Produktgruppe Fleisch/Wurst hat die BWB fallen gelassen.

"Sehr hartes Urteil"

Der OGH als Kartellobergericht findet in seiner Entscheidung deutliche Worte: Der Kartellrechtsverstoß von Spar sei - gemessen an den Kriterien Schwere, Dauer (zehn Jahre), Vorsatzgrad und Finanzkraft des betroffenen Konzerns - "jeweils als deutlich überdurchschnittlich anzusehen". Spar habe sein Verhalten auch nach Hinweisen auf dessen Rechtswidrigkeit durch den Verband der Markenartikelindustrie im Mai 2011 fortgesetzt.

"Wir nehmen diese Entscheidung zur Kenntnis. Über das Ergebnis sind wir jedoch enttäuscht", sagt Spar-Chef Gerhard Drexel, der nach den Hausdurchsuchungen 2013 meinte: "Ich gehe davon aus, dass nichts Negatives herauskommt."

Der Salzburger Händler ist mit dem Rekurs gegen das Urteil des Kartellgerichts abgeblitzt - dass der Konzern auf ein Gerichtsverfahren beharrte, kommt ihn nun teuer zu stehen. "Die Strafe ist sowohl im internationalen Vergleich als auch im Vergleich zu bisherigen Kartellstrafen sehr hoch", sagt Heinrich Kühnert, Partner bei bpv Hügel Rechtsanwälte. "Für Unternehmen, die in Zukunft von kartellrechtlichen Ermittlungen betroffen sind, wird das Kooperieren mit der Behörde attraktiver." Nach den umfangreichen Ermittlungen der BWB in der Lebensmittelbranche hat sich der Großteil der betroffenen Unternehmen ohne Gerichtsverfahren in einem Settlement mit der BWB geeinigt. Nicht einmal eine Handvoll Firmen wollten sich auf ein Gerichtsverfahren einlassen.

"Auf diese Unternehmen wirkt das Urteil einschüchternd, sie werden ihre Strategie überdenken", sagt Franz Urlesberger, Kartellrechtspartner bei Schönherr Rechtsanwälte, der von einem "sehr harten Urteil" gegen Spar spricht. Die Kanzlei vertritt den Rewe-Konzern, der sich im Mai 2013 mit der BWB in einem Settlement auf eine Geldbuße von 20,8 Millionen Euro wegen Preisabsprachen mit Lieferanten in 20 Produktgruppen von 2007 bis 2012 geeinigt hat. Diese Summe ist laut OGH allerdings kein Maßstab für Spar. Marktführer Rewe profitierte außerdem von 20 Prozent "Settlement-Abschlag", der Spar nicht zugute kommt.

Verfängliche E-Mails

Konkret hat Spar die Kurant- und Aktionspreise mit Lieferanten von Molkereiprodukten zwischen 2002 und 2012 abgestimmt. Der Entscheidungstext gibt auch Einblick, wie Preise abgesprochen wurden: Einkäufer von Spar verlangten demnach, dass Lieferanten bei geforderten Preiserhöhungen "empfohlene Verkaufspreise" als Richtpreise festsetzten und diese den Wettbewerbern mitteilten, damit auch diese die Verkaufspreise erhöhten. Das hatte "Margenneutralität" zum Ziel, sodass die Marge für Spar auch bei einer Erhöhung des Einkaufspreises gleich blieb. Als Nachweis hatten Lieferanten Preisspiegel oder Kassabons der Wettbewerber von Spar zu übermitteln.

Ein Lieferant wies etwa darauf hin, dass der Verkaufspreis bei einem Mitbewerber von Spar "nach mehrmonatigen Bemühungen" von 1,09 auf 1,19 Euro angehoben worden sei. In einem E-Mail war von einem Abstimmen des Verkaufspreises mit Spar die Rede.

Es sei kartellrechtlich unzulässig, dass ein Abnehmer den Lieferanten dazu bewegt, ein bestimmtes Preisniveau bei anderen Abnehmern durchzusetzen, urteilen die Höchstrichter. Die vertikalen Preisabstimmungen seien "durch ausgeprägte horizontale Elemente" zwischen Händlern "in ihrer kartellrechtlichen Schädlichkeit noch verstärkt worden".

OGH setzt auf Abschreckung

Das Salzburger Handelsunternehmen hatte stets betont, man wollte Rechtssicherheit für sich und die gesamte Lebensmittelbranche erreichen und habe sich daher für ein Kartellverfahren entschieden. Es folgten zahlreiche Streitigkeiten mit der Bundeswettbewerbsbehörde - unter anderem warf Drexel der Behörde den Einsatz von Spionagesoftware bei den Hausdurchsuchungen vor.

"Es gab nie große Rechtsunsicherheit, sondern fehlendes Unrechtsbewusstsein", sagt hingegen Kartellrechtsanwalt Urlesberger. Graubereiche gab es und werde es weiterhin geben.

Die beiden Kartellrechtsexperten Kühnert und Urlesberger fordern klare Richtlinien, wie Gerichte Bußgelder bei Kartellverstößen bemessen. Dass die Strafe für Spar gleich verzehnfacht wurde, begründen die Höchstrichter damit, dass ein Bußgeld nur dann abschreckend wirke, wenn dessen Höhe und Wahrscheinlichkeit den zu erwartenden Kartellgewinn übersteigt. Der potenzielle Nutzen des Kartellverstoßes über zehn Jahre lag nicht unter 3 Millionen Euro, ist der OGH überzeugt: "Dass dies völlig lebensfremd ist, bedarf keiner weiteren Ausführungen."

Die bisher insgesamt höchste Strafe wurde beim Aufzug-/Fahrtreppenkartell 2008 in Höhe von 75,4 Millionen Euro verhängt, allerdings betraf diese mehrere Unternehmen. Den Strafrahmen bilden zehn Prozent vom Gesamtjahresumsatz im Konzern. Bei Spar wurden 8,67 Milliarden Euro Umsatz im Jahr 2013 herangezogen, davon entfielen mehr als 400 Millionen auf Molkereiprodukte. Dem OGH erschien eine Geldbuße von 30 Millionen Euro, was 3,5 Prozent der gesetzlich möglichen Obergrenze von 867 Millionen Euro entspricht, angemessen.

Die BWB sieht in der Entscheidung des Höchstgerichts einen "Sieg für die Konsumenten, die jahrelang zu viel bezahlt haben". Allerdings profitieren diese nicht unmittelbar von der Geldbuße: Die 30 Millionen Euro fließen ins allgemeine Budget. "Die Geldbußen müssen für den Konsumentenschutz zweckgewidmet werden, wie es auch im Regierungsprogramm vereinbart wurde", fordert Helmut Gahleitner von der Arbeiterkammer. Zudem müsse das OGH-Urteil eine Richtschnur für künftige Settlementverhandlungen der BWB sein.