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Rekordbürgermeister

Von Christian Rösner und Bernd Vasari

Politik
Zwischen gewieftem Taktiker, Sprücheklopfer und grantelndem Machtmenschen: Michael Häupl.
© Newald

Er geht in die Verlängerung: Michael Häupl zählt jetzt schon zu den am längsten dienenden Bürgermeistern Wiens ab 1945.


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Wien. Er hat es wieder einmal geschafft: Michael Häupl geht also doch noch einmal in die Verlängerung und wird seine nunmehr fünfte Amtszeit als Wiener Bürgermeister antreten.

Dabei waren die Wiener Genossen bei dieser Wahl unsicher wie nie zuvor. Auch am Wahltag, als sich die gesamte rote Stadtregierungsriege mit Häupl zum traditionellen Mittagessen beim Silberwirt traf, war die Stimmung einigermaßen gedämpft. Allein Häupl schien den schlechten SPÖ-Prognosen der Meinungsforscher nicht zu trauen: "Schauen wir einmal, ob das so sein wird, wie das die Analytiker, Prognostiker und sonstige Gurus, Vogelflugleser und germanische Runenwerfer von sich geben. Jetzt hat einmal der Wähler das Wort und erst dann können wir schauen, welche Konstellationen überhaupt mathematisch möglich sein werden", meinte der Bürgermeister zur "Wiener Zeitung".

Alle anderen Genossen wirkten verunsichert, angespannt. Vor allem in dem Moment, als dann am späten Nachmittag die Umfrage nach der Wahlabgabe im SPÖ-Zelt in der Löwelstraße präsentiert wurde. Laut der Sora-Umfrage hätte die SPÖ nämlich ihr schlechtestes Ergebnis in Wien eingefahren. "Wir müssen uns wieder verstärkt um die Arbeiter kümmern", meinten gleich mehrere Funktionäre zur "Wiener Zeitung". Nur den Rasen vor dem Gemeindebau in Ordnung zu halten, sei eben zu wenig.

"Derzeit ist die SPÖzu versteinert"

"Jetzt gehören die Jungen rauf", hieß es weiter. Es gebe genügend gute Leute in der SPÖ, nur kenne sie niemand, da sie auch nicht gefördert werden. "Derzeit ist die SPÖ zu versteinert", so eine Genossin aus Favoriten. Das müsse geändert werden. Sonst gehe es sich nächstes Mal nicht mehr aus. Ein anderer kritisierte, dass viele Jungen von der Partei vergrämt wurden. So wie etwa Niki Kowall.

Mit der ersten Hochrechnung um 18 Uhr schlug die Stimmung im Zelt um. Tränen in den Augen, Ausgelassenheit, Ungläubigkeit ob des großen Abstands zur FPÖ. Die wenigsten genossen hatten daran nicht mehr geglaubt. "Das ist ein Ergebnis mit dem man aufgrund der Umfragen nicht rechnen konnte", meinte Landesparteisekretär Georg Niedermühlbichler. Und Vizebürgermeisterin Renate Brauner fasste für sich den Tag mit den Worten: "Sovü glocht und grehrt hob i scho lang nimmer an am Tog."

Ob Häupl nun die ganze kommende Legislaturperiode bleiben wird? "Ich bin überzeugt davon, dass er die kommenden fünf Jahre mit Verve und guter Gesundheit schaffen wird", sagte Klubobmann Rudolf Schicker. Nachsatz: "Nichtsdestotrotz; jedes gute Unternehmen hat immer Überlegungen, insbesondere jeder gute Chef, wie er ersetzbar ist."

Doch daran dürfte Häupl momentan nicht denken wollen. Und das obwohl (oder weil) er mit einer Amtszeit von 21 Jahren zu den am längsten dienenden Bürgermeistern Wiens zählt. Rechnet man ab 1945, verzeichnet er die längste Amtszeit, blickt man auf die gesamte Stadtgeschichte zurück, gibt es nur einen Vorgänger, der länger im Amt war: Josef Georg Hörl hielt 31 Jahre (1773 bis 1804) durch und ist damit selbst für Häupl nur schwer einholbar.

Hatte Häupl in den vergangenen Jahren noch oftmals erklärt, 2015 seine definitiv letzte Gemeinderatswahl schlagen zu wollen, so ließ er kurz vor der Wahl am Sonntag in einem Interview mit der "Wiener Zeitung" ausrichten, dass er weitermachen wolle, solange es sein Gesundheitszustand erlaube und solange er das Gefühl habe, dass er die Menschen erreicht. "Das sind zwei von mir nicht unmittelbar bestimmbare Faktoren - aber wenn beides passt, kann es noch lange weitergehen", erklärte er.

Das Image des mittlerweile 66-jährigen Stadtchefs wechselt zwischen gewiefter Taktiker, flotter Sprücheklopfer und zuweilen grantelnder Machtmensch. Mit Aussprüchen wie "Wahlkampf ist Zeit fokussierter Unintelligenz" hat sich Häupl längst in die heimischen Zitate-Anthologien eingeschrieben. Er gilt als belesener Intellektueller, der sich in der Öffentlichkeit gern leutselig gibt. Michael Häupl kann aber auch ungemütlich werden, wie sich nicht zuletzt in der aktuellen Asyldebatte gezeigt hat. Säumige Länder, das Innenministerium und natürlich die FPÖ standen und stehen hier im Visier des roten Urgesteins.

Doktorarbeit über die Schädelkinetik bei Gekkoniden

Häupl erblickte das Licht der Welt am 14. September 1949 in Altlengbach in einer traditionell ÖVP-nahen Lehrerfamilie. Der Bub besuchte unter anderem die Schule der Benediktiner in Seitenstetten. Die Matura absolvierte Häupl 1968 im Bundesrealgymnasium Krems. Dass er während der Schulzeit unter dem Kneipnamen "Roland" in der schlagenden Studentenverbindung "Rugia" aktiv war, erwähnen vor allem politische Gegner (und Journalisten in Häupl-Porträts) immer wieder gerne. Nach der Matura begann er in Wien das Studium der Biologie und Zoologie. Ab dem Jahr 1975 arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Naturhistorischen Museum und promovierte zwei Jahre später über die Schädelkinetik bei Gekkoniden: Kleinechsen, die in den Tropen und in der Wüste leben.

Während des Studiums erfolgte ein politischer Richtungswechsel: Häupl beendete seine Mitgliedschaft in einer Burschenschaft und dockte beim Verband Sozialistischer Studenten (VSStÖ) an. Als dessen Bundesvorsitzender fungierte er von 1975 bis 1977. 1983 zog er in den Gemeinderat ein. Am 29. Jänner 1988 wechselte Häupl auf Wunsch seines politischen Ziehvaters Helmut Zilk als Umweltstadtrat in die Stadtregierung. Am 23. April 1993 trat er die Nachfolge Hans Mayrs als Vorsitzender der Wiener SPÖ an. Am 7. November 1994 wurde er zum Bürgermeister gewählt. Und er ist es noch immer.