Mehr als 750 Mio. Euro Bußgeld für Schaltanlagenkartell. | Fast 420 Mio. Euro Strafe für Siemens
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 17 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Elf Elektronikkonzerne, die nach Überzeugung der EU-Kommission zwischen 1988 und 2004 an einem Kartell für gasisolierte Schaltanlagen (GIS) teilgenommen haben, müssen gemeinsam 750,7 Millionen Euro Strafe zahlen. Das hat die Brüsseler Behörde gestern, Mittwoch, bekannt gegeben. Es handelt sich um die höchste jemals verhängte EU-Strafe für einen einzelnen Kartellfall.
Über Siemens Deutschland wurde die Rekordstrafe von 396,6 Mio. Euro verhängt, weil das Unternehmen eine "führende Rolle in der Organisation des Kartells eingenommen" habe. Siemens Österreich muss immerhin 22 Mio. abliefern. Verantwortlich dafür ist die von Siemens 2005 übernommene VA Tech, welche als Mitglied des Kartells für Absprachen in Österreich, Italien, Frankreich und Großbritannien verantwortlich gemacht wird.
Die anderen beteiligten Unternehmen sind der Schweizer Konzern ABB, Alstom, Areva und Schneider aus Frankreich sowie die japanischen Elektronikriesen Fuji, Hitachi, Japan AU Power Systems und die Mitsubishi Electric Corporation. ABB hatte die Untersuchungen angestoßen und Brüssel umfassende Informationen über das Kartells zukommen lassen. Im Zuge der dafür vorgesehenen Kronzeugenregelung wurde den Schweizern die Strafe von 251,2 Mio. Euro erlassen.
Angebote koordiniert
"Die Kommission hat ein Kartell beseitigt, dass die öffentlichen Versorgungsunternehmen und die Verbraucher mehr als 16 Jahre betrogen hat", sagte Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes. Bei den betroffenen Schaltanlagen handelt es sich um komplexe elektrische Geräte, die als wichtiger Bestandteil von Umspannwerken den Energiefluss in Stromnetzen kontrollieren sollen. Die europäischen Unternehmen, die am Kartell beteiligt waren, haben demnach den EU-Markt für die GIS mit einem Jahresumsatz von rund 320 Mio. Euro zu Preisen von 2003 untereinander aufgeteilt. Die Europäer unterrichteten einander gegenseitig von Ausschreibungen und koordinierten ihre Angebote, um jedem Kartellmitglied die ihm nach einer vereinbarten Quote zustehenden Projekte zuzuschanzen. Die Japaner willigten ein, keine Angebote für europäische Aufträge zu stellen, im Gegenzug versuchten die EU-Konzerne nicht am japanischen Markt zu reüssieren.
Razzien ab Mai 2004
Mitarbeiter der Kartellmitglieder trafen sich nach Erkenntnissen der Kommission regelmäßig, um die Projekte aufzuteilen und Scheinangebote abzustimmen. Damit sollte der Eindruck eines echten Wettbewerbs erweckt werden. Die Unternehmen kommunizierten demnach mit Codenamen, anonymen E-Mail-Adressen und verschlüsselten Botschaften.
Das gehe aus umfassenden Unterlagen hervor, die Brüssel von der ABB bekommen und bei Razzien in den betroffenen Konzernen ab Mai 2004 sichergestellt habe, erklärte die Kommission. Darunter seien etwa schriftliche Vereinbarungen aus dem Jahr 1988.
Gegenklage geplant
Siemens hat unmittelbar nach Bekanntgabe der Strafen angekündigt, dagegen beim Europäischen Gerichtshof zu klagen. Die Bußgelder seien "absolut überzogen" und "überhaupt nicht nachvollziehbar", erklärte der Vorstandsvorsitzende des Siemens-Bereichs Power Transmission & Distribution, Udo Niehage. Absprachen im GIS-Bereich habe es lediglich zwischen Oktober 2002 bis April 2004 durch drei Mitarbeiter gegeben, die daraufhin suspendiert worden seien.